Mexikos Durst – Mehr als nur Agave
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Was hat die mexikanische Trinkkultur neben den bekannten Agavespirituosen Tequila und Mezcal noch so zu bieten? Unser Autor Peter Eichhorn weiß die Antwort.
Der Schriftsteller Malcolm Lowry war ein leidenschaftlicher Trinker. Von Mexiko war er zeitlebens fasziniert. Und so widmete er seinen berühmten Roman „Unter dem Vulkan“ den Kontrasten, Abgründen und Trinksitten des Landes. Zehn lange Jahre verbrachte Lowry mit der Arbeit an seinem wohl bedeutendsten Werk. Zwölf Verleger lehnten sein Manuskript ab, bevor es 1947 zu einem Riesenerfolg wurde. Die Hauptfigur, der Brite Geoffrey, greift oft und reichlich zur Flasche und so entstand eine Ode an die traditionelle mexikanische Schankstube, die Cantina, wenn Lowry schreibt: „Welche Schönheit könnte verglichen werden mit der einer Cantina am frühen Morgen. … denn nicht einmal die Himmelspforten, weit geöffnet, um mich zu empfangen, könnten mich mit derart überirdischer, komplizierter und hoffnungsloser Freude erfüllen, wie das Eisengitter, das den Weg freigibt, wenn das Vorhängeschloss entsperrt und Einlass gewährt wird.“
Cantinas laden ein zum Speisen und Trinken
Seit dem 18. Jahrhundert wird die Cantina zum zentralen Treffpunkt einer jeden Ortschaft und alle sind willkommen auf Drinks und Häppchen. Danke der langen Tradition beherbergen zahlreiche eindrucksvolle historische Gebäude die Cantinas und etliche haben es als Sehenswürdigkeit in die relevanten Reiseführer geschafft, wie “La Fuente” in Guadalajara oder “La Farola” Oaxaca City.
Die Cantinas stehen zudem für die zahlreichen Getränke des Landes und die Spezialitäten der jeweiligen Region. Heute und in früheren Zeiten. Uns erwartet eine bemerkenswerte Vielfalt, geprägt von den vielen Einwanderern, die Mexiko im Laufe der Jahrhunderte prägten. Ab dem 17. Jahrhundert entwickelt sich Mexiko zu einem eindrucksvollen Schmelztiegel. So besitzt Mexiko City seit beinahe 400 Jahren ein Chinatown und die Nachfahren afrikanischer Einwanderer bezeichnen sich selbst mitunter als „Blaxicans“.
Gemeinsames Anstoßen mit Rompope
Die Einwanderer hatten Durst und Trinkgewohnheiten im Gepäck, die sie mit den regionalen Erzeugnissen und Gewohnheiten vermählten. Ein beliebtes Getränk in Mexiko heißt Rompope. Dabei handelt es sich um eine Art Eierlikör-Punch auf Rum-Basis. Das Getränk geht zurück auf die Nonnen im Santa Clara Kloster in Puebla, die im 17. Jahrhundert eine spanische Trinktradition vermissten. In der Heimat gab es den Ponche de huevo mit Eierlikör und Brandy. Brandy war Mangelware in Mittelamerika und so nahmen sie stattdessen Rum.
Gerne übersehen wir, dass Mexiko über die weltweit fünftgrößte Anbaufläche für Zuckerrohr verfügt. Leider kommt nicht allzu viel mexikanischer Rum nach Mitteleuropa, doch in der spanischsprechenden Welt genießen Marken wie Pixan, Deadhead oder Ron Prohibido einen guten Ruf.
Weine aus Mexiko gewinnen an Beliebtheit
Der Weinbau in Mexiko findet ebenfalls noch wenig Beachtung, wenngleich Qualität und Vielfalt in den letzten Jahren kontinuierlich ansprechender wurden. Die unterschiedlichen Klimazonen lassen Rebsorten wie Chardonnay, Merlot, Tampranillo, Cabernet Sauvignon oder Chenin Blanc gut gedeihen. Neben der Vinifikation destillieren die Mexikaner ihre Trauben ebenfalls gerne und das Land zählt zu den Top 5 Ländern, wenn es um Brandykonsum geht. Die führende Marke im Lande ist Presidente Brandy.
Auch großartiges Bier stillt den Durst
Auch das Bier spielt eine gewaltige Rolle im Land. Weltweit beliebt ist die Marke Corona Extra. 2019 kam eine achte Produktionsstätte mit einem Ausstoß von stolzen 24 Millionen Hektolitern hinzu. Auch Marken wie Dos Equis, Sol, Bohemia oder Tecate sind zuweilen hierzulande erhältlich. Allgegenwärtig sind in Mexiko die Bier-Mischgetränke. Ein Klassiker ist die Michelada, mit Limette, Gewürzen und würzigen Soßen, Salz und dann mit einem Lagerbier aufgegossen. Gerne wird das Bier auch mit Clamato vermixt, einem beliebten Mischgetränk mit Tomatensaft, Muschelsud und Gewürzen. Bekannt auch die Lagerita, bei der Tequila, Gewürze, Limette und Bier vermengt werden.
Für Malcolm Lowry blieb Mexiko ein Ort der Sehnsucht und Hölle zugleich. Doch Durst musst er nie erleiden und eine der Ängste unter dem Vulkan erfüllte sich nicht: „Nichts auf der Welt war grauenvoller als eine leere Flasche! Es sei denn, ein leeres Glas.“ (Nothing in the world was more terrible than an empty bottle! Unless it was an empty glass.)