Bellboy Berlin: Ein Freizeitpark für Erwachsene

© Bellboy

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Das „Bellboy“ aus Tel Aviv hat in der deutschen Hauptstadt seine erste internationale Dependance eröffnet. So unkonventionell und unterhaltsam das Gesamtkonzept für die Gäste ist, so professionell ist es im Backend – und ein Startschuss für eine groß angelegte Expansion.

Es ist immer wieder spannend, Räume zu betreten, die vorher ganz anders aussahen. In diesem Fall ist die Erdgeschossfläche des Berliner Hilton-Hotels am Gendarmenmarkt gemeint, auf der sich viele Jahre das „Restaurant Mark Brandenburg“ befand. Vom typischen Look eines gediegenen Hotelrestaurants ist nichts geblieben: Jetzt sieht man hier hölzerne Kassettendecken, trotz neuen Verbaus zum Teil etwas abgeschrammelt, ausgewähltes Vintagemobiliar, ein altes Klavier mit einer kleinen Lampe darauf, edle, weinrote Polster – eine Reise in alte Zeiten. Und nicht zu übersehen ist die glamouröse, leuchtende Bar. Willkommen im „Bellboy Berlin“, dem ersten deutschen, überhaupt ersten internationalen Ableger des Erfolgskonzepts aus Tel Aviv.

Ein Ort, an dem Erwachsene wieder zu Kindern werden

Eine Hotelbar? Nicht wirklich, eher eine Bar an einem Hotel, völlig autark, übrigens auch unternehmerisch (die Bar-Rechnung aufs Zimmer buchen geht nicht). „Wir sind ein Freizeitpark für Erwachsene“, bringt es Omer Gazit-Shalev, Director Of International Development der Bellboy Group, direkt auf den Punkt. „Erwachsene wollen ja manchmal auch Kinder sein“, fügt er lachend hinzu. Das können sie hier durchaus: Das „Bellboy“ ist das komplette Gegenteil einer minimalistischen, auf den Drink und seine Zutaten fokussierten Bar. Es ist eine Gesamt-Inszenierung, es geht um Spaß und Eskapismus, die Reise in eine diffuse Vergangenheit für die Länge einiger Drinks.

 

 

Eskapismus, der sich in den Gefäßen vergegenständlicht

Statt gängiger Gläser sieht man hier allerlei obskure Behältnisse hinter der Bar und auf den Tischen stehen, geformt zum Beispiel zu grimmigen Fratzen, zu Trinkbechern gewordenen Ballkleider oder Backenzähnen, wie man sie sonst nur in Wartezimmern stehen sieht. Kleine Badewannen und wuchtige Boxhandschuhe mit Einlassung fürs schmale Glas gibt es auch.

Ein Drink braucht bis zu einem Jahr, um auf die Karte zu kommen

Jeder Drink ist hier eben nicht nur ein Drink, sondern gleich eine ganze Geschichte – von der Rezeptur über die Story dazu bis hin zur speziellen Darreichungsform. Eine Menge Arbeit stecke dahinter, erklärt Gazit-Shalev. Von der ersten Idee bis zur Produktion des Gefäßes vergehe manchmal mehr als ein Jahr.

Getränke werden zu wahren Hinguckern

Die Gäste lieben es, auf Instagram lassen sich die Fotos mit den so obskuren wie kunstvoll arrangierten Getränken bestaunen. In besagte Badewanne zum Beispiel kommt der „Keep Clean“ mit Wodka, Blüten- und Holunder-Cordial und einer blumigen „Seife“, als Topping hat der Drink ein (freilich trinkbares) Schaumbad und auch eine Badeente ist dabei. Ins Horn stößt der „Viking Club“ mit Aquavit, Amaretto, Rooibos-Karamell- sowie Eukalyptus-Sirup, einem Püree aus roten Beeren und Birkenwasser. Obenauf kommt ein Cracker – zum Legen einer Krümelspur wie bei Hänsel und Gretel.

Spaß und Anspruch gehen Hand in Hand

Allein die Zutatenauswahl und das Arrangement dieser Drinks mag es verdeutlichen: Das Backend ist High-End. Mit Partybars gängiger Kategorie – wo die Qualität des Flüssigen oft zweitrangig ist – hat das „Bellboy“ nichts zu tun. Fun: ja. Anspruch: auch. Was auch dadurch unterstrichen wird, dass das Mindestalter für den Zugang zur Bar auf hohe 25 Jahre gesetzt wurde.

Kreativ und experimentierfreudig

Alles an Technischem, was man aus der Welt der Mixologie kennt, kommt hier zum Einsatz – nur eben eher hintergründig und vorwiegend vorbereitend. Ein großer Teil der Cocktails wird vorgemixt und -gebatcht, ganz bewusst: „Es hilft uns bei der Konsistenz und den Bartendern, den Kopf für andere Dinge frei zu haben“, erklärt Gazit-Shalev. Im „Bellboy“ tragen die Bartender denn auch mal selbst ihre Drinks an die Tische hinaus, so wie es die Köche in immer mehr Fine-Dining-Restaurants bei ihren Menüs tun.

Bewusst sind schlechtere Boxen im Einsatz

Ein wesentlicher Unterschied zum „Stammhaus“ in Tel Aviv ist die schiere Größe: Dort hat man überschaubare 60 Plätze, hier sind es 200 und insgesamt nutzt man über 400 Quadratmeter! Um neben der gemütlichen Optik auch eine „cosy“ Akustik in den großen Raum zu bekommen, hat man sich entschieden, Boxen mit minderer Qualität zu verwenden, damit Swing und Dixie nicht „crisp“ wie im Club, sondern authentisch-nostalgisch klingen.

Weiter geht's in den “Pink Room” und eine zweite Bar

Neben dem großen Hauptraum, hinter einer Spiegeltür versteckt und an Skelett „Klaus“ vorbei, gibt es wie in Tel Aviv eine zweite kleine Bar – das „Butler“ mit ungebrandeten, nummerierten Flaschen und speziellen Drinks für Kenner bzw. alle, die sich dann eben doch mehr mit dem Drink und seinen Ingredienzien selbst beschäftigen mögen. Und das war es noch nicht: Denn durch den knallroten „Elevator“ hindurch gelangt man in den Berlin-exklusiven „Pink Room“, der für Events und bei Overflow zum Einsatz kommt. Hier darf man sich wie in einer Wes-Anderson-Filmkulisse platziert fühlen.

„Wie eine Zeitkapsel im Film“

Die Berliner Barmanagerin ist Peggy Knuth. Man kennt sie aus ihrer Zeit im „Pauly Saal“, im „Salut!“ und zuletzt im „Fragrances“ im „The Ritz-Carlton“ am Potsdamer Platz. Peggy wiederum kennt „Bellboy“ schon aus Tel Aviv. Bei einem Urlaub 2018 hat sie sich in das Konzept verguckt, berichtet sie: „Das hat mich extrem inspiriert. Du kommst rein, es ist lebendig, ein Rumflirren und -flattern. Wie eine Zeitkapsel im Film. Diese vielen wunderbaren Details, das gefiel mir“, schwärmt sie. In ihrer neuen Funktion steht sie weniger selbst ständig am Brett, sondern koordiniert vor allem das siebenköpfige Team. „Wir achten darauf, dass die Leute gut trainiert sind, dass Timing und Mengen passen“. Dabei arbeitet man viel Management-Tools, u.a. für Personaleinsatzplanung, Beschaffung oder die interne Kommunikation. Kein Mail- oder WhatsApp-Chaos mehr: „Es ist alles sehr ordentlich organisiert, durchdacht und kalkuliert“, so Knuth. „Das macht das Arbeiten sehr viel einfacher.“

Peggy Knuth, die Barmanagerin vom Bellboy in Berlin

„Management auf einem größeren Level lernen“

„Wir wollen Barleuten die Möglichkeit geben, Management auf einem größeren Level zu lernen“, fügt Omer Gazit-Shalev hinzu, der ebenfalls lange Zeit selbst hinter dem Tresen stand und u.a. die „Tel Aviv Cocktail Week“ aus der Taufe gehoben hat. Wenn man vom Bartending ins Management kommt, sei man oft nicht auf die Aufgaben vorbereitet, die dort warten – von den Steuern bis zur Abrechnung der Payroll. Was man in der „Bellboy Group“ lerne, könne man nutzen, um ein Outlet zu führen oder um ein eigenes Business zu eröffnet, erklärt er. Führungskräfte kann man auch selbst gut gebrauchen. Denn die Gruppe, die in Israel aktuell sechs Bars hat, ist weiter auf Expansionskurs: Als nächstes steht eine Hoteleröffnung im April 2022 mit drei integrierten Bars an; zwei weitere Bars entstehen im neuen „Kempinski“-Hotel, das planmäßig im November startet. Und immerhin drei oder vier weitere Bar-Konzepte visiert man Deutschland innerhalb der nächsten anderthalb Jahre an.

Auch ein Restaurant

Und weil wir mit einem (ehemaligen) Restaurant anfingen, sei abschließend unbedingt drauf hingewiesen: Ja, das „Bellboy“ ist auch dieses – ein Restaurant. Denn neben den 30 Cocktails, die das Konzept zu bieten hat, gibt es nämlich auch diverse herzhafte Leckereien aus der Küche, von Gillardeau-Austern über Fischtartar, Gänseleberpastete und gerösteter Zucchini bis zum Rinderfilet mit Kimchi-Gratin. Sollte also jemand die Fläche ansteuern und dort wie bislang ein Restaurant vermuten (was mitunter noch passiert, wie man uns berichtet) – er oder sie wird nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil, und es warten jede Menge Erlebnisse darauf, entdeckt zu werden.

Bellboy
Mohrenstraße 30
10117 Berlin
https://bellboybar.com/home