Die beste Investition im Bar-Business? In gesunde und sich wohl fühlende Teams!
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Bar ohne Namen
Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.
Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.
Sortiment, Drinkangebot, Design: alles zweifellos wichtige Faktoren für den Erfolg einer Bar. Doch entscheidend sei heute mehr denn je, dass es dem Team gut geht – physisch wie psychisch. Das erklärten Tim Etherington-Judge und Jason-Candid Knüsel in ihrem Talk „The Keys to Building A Sustainable Team“ für die „Park Street University“ auf dem Bar Convent Berlin 2022.
Etherington-Judge ist Gründer, Knüsel Geschäftsführer von Healthy Hospo, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für ein gesünderes und erfüllteres Arbeiten in der Hospitality-Branche einsetzt. 2017 hatte Tim Etherington-Judge sie aus der Taufe gehoben – ein Jahr zuvor erlitt er, tätig als globaler Markenbotschafter einer Spirituosenmarke, einen Komplettzusammenbruch mit glücklicherweise gescheitertem Suizidversuch. Im offenen Umgang mit dieser Thematik stellte er fest, dass viele Kollegen, zumal Bartender und Bartenderinnen, unter den enorm anstrengenden Arbeitsbedingungen leiden. „Healthy Hospo“ will ihnen Orientierung geben und Hilfestellung leisten. Fehler, die bereits gemacht wurden, und Beeinträchtigungen, die schon erlitten wurden, sollen junge Kollegen vermeiden und können, so der Gründer. Sein SECS-Modell für ein gesünderes und erfüllteres Arbeits- und Privatleben stellte er beim „digitalen BCB“ 2020 vor. Und nun live vor Fachpublikum.
Gesundheit und Erfüllung sind entscheidende Job-Kriterien
Die Covid-Pandemie, begann Etherington-Judge, habe die globale Arbeitswelt, insbesondere aber das Gastgewerbe, über den Haufen geworfen. Und viele, die zuvor oft lange Schichten mit Hochdruck und gestresst hinter den Tresen schufteten, stellten auf einmal fest: Es geht auch anders. Keine Arbeit in der Nacht, früher und ausreichender Schlaf, Tageslicht, bessere Ernährung, Sport und dergleichen mehr. Eine diesen elementaren Bedürfnissen entgegenkommende Arbeitsumgebung vorzufinden, sei zum entscheidenden Kriterium bei der Jobsuche geworden.
Ins Team zu investieren ist angesagt
Für das Hospitality-Business bedeutet dies, investieren zu müssen, so Etherington-Judge. Nicht allein in Ausstattung, Sortiment und Design – sondern direkt in das Team und dessen Gesundheit und Wohlbefinden: „Es ist die beste Investition, die man tätigen kann.“ Zahlen der „International Social Security Association“ (ISSA) zufolge bringt ein Euro Invest in die Team-Gesundheit 2,20 Euro mehr Umsatz – die Mitarbeitenden profitieren also nicht nur persönlich, sondern werden auch produktiver und profitabler für das Unternehmen. Eine gut gepflegte „Ressource Mensch“ bringe der Bar viele Vorteile, so Etherington-Judge:
- mehr Profit vor allem in anstrengenden Spitzenzeiten, die am meisten Umsatz bringen
- weniger „Präsentismus“ (Anwesenheit ohne wirklich da zu sein)
- besserer Kundendialog und bessere Kundenpflege, was zu mehr Stammgästen führt
- glücklichere Gäste, was wiederum mehr Umsatz und Trinkgeld bewirkt
- ein besseres Employer-Image in der Branche (Arbeitnehmende sprechen positiver über ihren Job/Arbeitsplatz/Arbeitgeber)
- weniger Kosten v.a. durch weniger Krankheitstage
- weniger Such- und Onboardingkosten dank geringerer Fluktuation
- weniger teure Fehler (Bruch etc.) und weniger gefährliche/teure Unfälle
Aufwärtsspirale
Greifen diese Dinge wie viele kleine Zahnräder ineinander, stelle sich eine Aufwärtsspirale ein, so der „Healthy Hospo“-Gründer: Gesundheit und Wohlbefinden sorgen für glücklichere, motiviertere, kreativere und produktivere Mitarbeitende. Das bringt mehr Umsatz, verursacht weniger Kosten und bietet mehr Krisensicherheit – und dank des immer attraktiver werdenden Gesamtbilds zieht man besonders talentierte Leute an, weil diese nur in hervorragenden Bars arbeiten wollen. Kurz: Gesundheit – essentieller Teil der sozialen Nachhaltigkeit – ist ein Erfolgstreiber.
Tschüss Boss, willkommen Leader
Den zweiten Teil des Vortrags übernahm der Managing Director von „Healthy Hospo“, Jason-Kandid Knüsel. Der Schweizer ist gelernter Koch, der in den Service und an die Bar wechselte, über Drinks schreibt und die Branche somit von vielen Seiten kennt und beobachtet. Er ging auf die moderne Führungsrolle des Barchefs/Betreibers ein: Das alte „Modell Boss“ habe ausgedient, wer heute immer noch glaubt, nicht für Gesundheit seiner Mitarbeitenden zuständig zu sein, sie als allein persönliche/private Angelegenheit zu betrachten oder Argumente à la „ich bin kein Experte dafür“ oder „gab es zu meiner Zeit auch nicht“ ins Feld führen zu können, begebe sich ins Abseits.
Unterstützen statt kontrollieren
Ebenso könne es nicht mehr darum gehen, zu kontrollieren oder zu kommandieren, sondern vielmehr darum, als Leader Mitarbeitende zu ermächtigen, sie zu unterstützen und ihnen Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen – auch, was ihre Haltungen und Gewohnheiten in Bezug auf den Umgang mit der eigenen Gesundheit betrifft. Work-Life-Balance, Wertschätzung und das sichere Gefühl, dass es der Betrieb gut mit einem meint, offene und ehrliche Kommunikation, Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Inklusion, Diversität – nur wer diese Aspekte ernst nehme, habe die junge Generation – die genau auf die Werte der Unternehmen blickt, denen sie ihre Arbeitskraft möglicherweise zur Verfügung stellt – auf seiner Seite. Nur wer ein gesundes Team habe, könne auch einen nachhaltigen Betrieb aufbauen, so Candid-Knüsel: Warum solle sich jemand, dessen Körper unter der Arbeit leidet, sich für das „Wohlbefinden“ des Planeten engagieren? Eine der drei Säulen der Nachhaltigkeit ist die soziale Nachhaltigkeit – mehr dazu hier.
Auf eine Nachfrage aus dem Publikum, wie man all dieses in Zeiten dünner Personaldecken denn leisten solle, riet Etherington-Judge, die Öffnungszeiten nach Pareto-Prinzip zu überprüfen: Muss tatsächlich sechs Tage pro Woche geöffnet sein, wenn man in 20% der Öffnungszeit 80% des Umsatzes erzielt? Auch riet er dazu, aus dem Team heraus immer mit Lösungsvorschlägen an den Chef bzw. die Chefin heranzutreten, statt allein die Probleme zu benennen und zu kritisieren. Schließlich einen alle das Ziel, eine gute Bar zu betreiben, die wirtschaftlich erfolgreich ist und von den Gästen wertgeschätzt wird – und die Basis des Erfolgs ist, dass das Team, das „schlagende Herz der Branche“, wie Tim Etherington-Judge es nennt, sich gesund und wohl fühlt.