Louisa Dodd: „Zitrusfrüchte sind das Fleisch der Barindustrie“

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Bars waren oftmals der Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit in der Gastronomie. Doch es gibt noch viel zu tun. Wie Drinks grüner werden können und warum wiederverwertbare Materialien auch nicht die beste Lösung sind. 

 

Beim diesjährigen BCB wird Louisa Dodd, Senior Project Manager bei der Sustainable Restaurant Association (SRA), Barbesitzern und Bartendern zeigen und erklären, wie sie ihre Bars nachhaltiger ausrichten können. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihr im Vorfeld über „quick wins“, einen ganzheitlichen Umgang mit dem Thema und darüber zu sprechen, wie Bars vor dem Hintergrund der Covid-bedingt angespannten Situation dennoch grüner werden können.

 

Louisa, bitte gib uns eine kurze Einführung: Was macht die SRA?

Louisa Dodd: Das SRA ist das weltweit größte Nachhaltigkeitsprogramm im Gastgewerbe. Wir arbeiten mit Unternehmen zusammen, um ihre nachhaltigen Aktivitäten und Praktiken anhand unseres „Food Made Good“-Ratings zu messen. Wir regen Veränderungen an und würdigen die Bereiche, in denen sie bereits gut abschneiden, und unterstützen sie dort, wo noch Nachholbedarf besteht. Wir arbeiten auch mit Industriepartnern wie Lieferanten und Vermietern zusammen.

 

Sind bei der SRA auch Bars dabei?

Louisa: Ja. Wir arbeiten mit jedem zusammen, von getränkelastigen Unternehmen wie Pubs und Bars bis hin zu michelinbesternten Restaurants.

Wie ausgeprägt ist aus deiner Sicht das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Bar-Business heute?

Louisa: Als die SRA vor zehn Jahren gegründet wurde, haben wir mit 50 Unternehmen angefangen, darunter nur ein paar Pubs und Bars in Großbritannien. Heute haben wir über 12.000 Gastgewerbebetriebe in unserer Community und arbeiten hier mit den größten Bargruppen zusammen (anders als in Deutschland sind die meisten Betriebe auf der Insel Filiale einer größeren Gruppe, Anm. d. Red.). Viele Nachhaltigkeitsinitiativen, die sich schließlich auf Restaurants ausgeweitet haben, wie Diskussionen über Plastikstrohhalme, haben tatsächlich in Kneipen und Bars begonnen. Bartender sind von Natur aus sehr kreativ. Man sieht es daran, dass sie bei Cocktailkreationen viele clevere Ideen gegen Lebensmittelverschwendung einbauen.

 

Was sind neben Strohhalmen die drei „quick wins“ für eine Bar in Sachen Nachhaltigkeit? Dinge, die man leicht ändern oder abstellen kann?

Louisa: Es ist vielleicht nicht das Schnellste, aber es ist das Praktischste und Wichtigste für jedes Gastgewerbe: Man kann nicht kontrollieren und managen, was man nicht gemessen hat. Man benötigt eine Bewertungsgrundlage, um zu verstehen, wie gut man ist und was als nächstes zu tun ist. Das ist der Kern dessen, was wir bei „Food Made Good“ mit unserem Rating tun und auch mit unserem kostenlosen Selbstbewertungstool Food Made Good 50. Welches für  Getränkeunternehmen ebenso relevant ist wie für Restaurants.

Ein echtes Schreckgespenst sind Garnitur-Abfälle. In der Food-Welt unterscheiden wir beim Abfall zwischen Verderb, Abfall bei der Zubereitung und Abfall auf Teller. Bei Getränken ist es im Grunde dasselbe. Zum Beispiel verschimmelte Limetten, nach der Zubereitung übrig gebliebene Limettenstängel oder Zesten im Glas, die zu Abfall werden. Wenn du überprüfst, was die Lebensmittelverschwendung hinter deiner Bar verursacht, kannst du deine „hot spots“ identifizieren. 

© Louisa Dodd, Senior Project Manager bei der Sustainable Restaurant Association (SRA), zeigt in ihrem Vortrag auf dem BCB 2021 Barbesitzern und Bartendern, wie sie ihre Bars nachhaltiger gestalten können. 

Sind Strohhalme aus alternativen Materialien auch eine Lösung?  

Louisa: Was die Strohhalme betrifft: Geh‘ deine Getränkekarte durch und finde heraus, zu welchen Getränken du derzeit Strohhalme anbietest. Oder beobachte deine Mitarbeiter während einer Schicht: In welche Getränke stecken sie Trinkhalme? Halte welche an der Bar bereit, damit die Kunden sich selbst aussuchen können, und achte im Idealfall darauf, dass sie wiederverwendbar sind. Auch wenn sie aus Papier bestehen, kompostierbar oder biologisch abbaubar sind, ist es dennoch Einweg. Wir müssen das Narrativ weg hin zu wiederverwendbaren Lösungen verschieben oder ganz eliminieren.

 

Wie sieht es beim Thema Energie aus?

Louisa: Wir schlagen vor, auf erneuerbare Energien umzusteigen und die Energiemenge zu reduzieren, indem man versteht, was den Verbrauch verursacht. Oftmals kann man mit dem Energieversorger zusammenarbeiten, der die Bereiche des Betriebs segmentiert und die Teile mit dem meisten Verbrauch identifiziert – ist es die Küche, sind es die Kühlschränke?

Und Gästen? Wie können wir sie einbeziehen? Wir wissen, dass Bars auch Refugien sind. Man will seine Gäste nicht mit Umweltproblemen stressen, denke ich.

Louisa: Absolut. Niemand will an einem Freitagabend mit Nachhaltigkeitsinformationen bombardiert werden, wenn man sich eigentlich entspannen will (lacht). Oft geht es um Optionen: Es wird immer Kunden geben, die mehr an Nachhaltigkeit interessiert sind. Wie hat man also die Informationen für Menschen parat, die Kaufentscheidungen basierend darauf treffen möchten, ob das Unternehmen nachhaltig arbeitet oder nicht? Wie kommuniziert die Bar über das Erreichte und auch über Dinge, die man noch nicht ganz erreicht hat? Es ist eine Reise und keine Bar wird jemals das Thema Nachhaltigkeit „vollendet“ haben. Es ist ratsam, Informationen auf der Website, in den sozialen Medien oder auf der Rückseite der Cocktailkarte bereitzustellen.

Darüber hinaus wird es immer bestimmte Aspekte der Nachhaltigkeit geben, die die Marke der Bar, das Unternehmen und sein Team stärker ansprechen. Vielleicht liegt es der Bar besonders am Herzen, dass sie keine frischen Garnituren mehr verwendet, oder sie legt Wert darauf, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Man sollte Dinge auswählen, die die Mitarbeiter wirklich ansprechen. Darüber werden sie am liebsten sprechen.

 

In Restaurants ist ein entscheidender Aspekt der Nachhaltigkeit die Auswahl der Lebensmittellieferanten. Auch in Bars?

Louisa: Es ist wirklich wichtig, über die Nachhaltigkeitsaspekte seiner Produkte im Rückbuffet Bescheid zu wissen, indem man den Herstellern schlicht Fragen stellt: Wir möchten mehr über die Nachhaltigkeitsprojekte erfahren, an denen Sie arbeiten. Können Sie uns diese Infos bitte mitteilen, damit wir unser Team schulen können? Die Lieferanten sind für einen großen Teil des Nachhaltigkeits-Fußabdrucks verantwortlich, und einige arbeiten an sehr zukunftsweisenden Initiativen. Bartender stehen beim Verkauf von Getränken an Kunden an vorderster Front. Das ist ein Schlüssel: Denn wenn Kunden an Nachhaltigkeit interessiert zu sein scheinen oder nicht genau wissen, welches Getränk sie möchten, bietet sich hier die Gelegenheit, um das Einkaufsverhalten basierend auf den Nachhaltigkeitsinformationen, die man nun von den Lieferanten hat, zu beeinflussen.

 

Wie kann man bei der Recherche dieser Nachhaltigkeitsinformationen von Lieferanten Voreingenommenheit oder gar Greenwashing vermeiden?

Louisa: Ich würde sagen, dass man immer auf Zertifizierungen von Drittanbietern achten sollte. Arbeiten sie mit anderen Partnern in der Branche zusammen, um die Dinge, über die sie sprechen, zu validieren oder zu verifizieren? Bei Fairtrade weiß man: Da liegt ein anderes Nachweislevel vor. Wir bei der SRA wissen, dass eine Hauptmotivation für einige der Pubs und Bars, mit uns zusammenzuarbeiten, darin besteht, dass ein Dritter ihre Initiative durch ein Rating überprüft. Es bietet ihren Kunden ein gewisses Maß an Sicherheit.

Generell: Was sollten Spirituosenmarken aus deiner Sicht tun, um nachhaltiger zu werden?

Louisa: Spirituosen sind im Grunde genommen Food. Ihr Weizen, ihre Gerste etc. wird bis zur Verarbeitung auf die gleiche Weise angebaut. Bei den Getränkemarken sehe ich viel Nachhaltigkeit in den Bereichen Produktion, Transport, Herstellung oder Verpackung. Aber rund 70 Prozent des CO2-Fußabdrucks der meisten Lebensmittel entstehen, bevor sie das Hoftor verlassen. Wie können wir also sicherstellen, dass Alkoholmarken im landwirtschaftlichen Bereich etwas bewirken, dass der Rohstoff durch zukunftssichere, regenerative landwirtschaftliche Praktiken angebaut wird? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis biologischer Anbau verbindlich wird. 


Bars durchleben, wie wir alle wissen, aufgrund der Corona-Situation schwierige Zeiten. Wie können sie unter diesen Umständen Nachhaltigkeit betreiben? Wo sie doch alle auf ihr Budget achten müssen?

Louisa: Ein nachhaltiges Geschäft ist nur möglich, wenn es auch finanziell nachhaltig ist. Bestimmte Anpassungen werden ein wenig mehr Geld kosten. Aber vieles dreht sich um Vereinfachung und um Effizienz. Nehmen wir das Beispiel Zitrusfrüchte und Lebensmittelabfälle: Wir nennen Zitrusfrüchte oft das Fleisch der Barindustrie. Viele verderben. Sie reisen vom anderen Ende der Welt, oft ohne Zertifizierung oder Standards. Sie verursachen viel Umweltverschmutzung und brauchen Pestizide. Wir empfehlen, Fairtrade-Zitrusfrüchte zu beziehen. Oft kommt dann die Antwort: Das ist teurer. Es geht also darum, sich zu fragen: Wie reduzieren wir, wie machen wir den Betrieb effizienter? Welche Getränke brauchen wirklich, wirklich Zitrusfrüchte? Wenn man die Menge an Zitrusfrüchten halbieren kann, weil man sie darauf reduziert, wirklich Geschmack zu verleihen, hat man das Kapital, um in eine Beschaffung zu investieren, die Nachhaltigkeitsstandards berücksichtigt. Bei Strohhalmen ist es genauso: Braucht man sie wirklich? Die nachhaltigste und günstigste Variante ist der, den man gar nicht erst gekauft hat. Unser Mund ist Jahrtausende sehr gut ohne sie ausgekommen.

 

Louisa, vielen Dank.

Der Vortrag von Louisa Dodd „Setting the Bar for Sustainability“ findet am Dienstag, 12. Oktober, von 16.30 bis 17.30 Uhr auf der Main Stage des BCB statt. Mehr Informationen gibt es hier.