Achtsames Trinken: Kein Trend, sondern eine Bewegung mit Potenzial
Der Low- und No-ABV-Trend ist weiter auf dem Vormarsch. Ein Beispiel, wie viel Herzblut in neuen alkoholfreien Kreationen steckt, ist der Berliner „Mindful Drinking Club“.
In der Berliner Mixology-Landschaft gibt es seit Mai einen neuen, ungewöhnlichen Ort, dessen Name Programm ist: Den „Mindful Drinking Club“. Für die beiden Gründer, Jenny und Max, ist achtsames Trinken kein Trend, sondern eine Bewegung mit großem Wachstumspotenzial.
Sie trinken nicht, aber warum?
Es ist kein Geheimnis, dass Alkohol giftig sein kann und dass die Sucht real ist. Dennoch scheinen die Verbraucher – ähnlich wie bei vegetarischen oder veganen Gerichten – immer noch zu zögern, wenn ihnen eine Alternative angeboten wird. So haben manche Leute immer noch ein wenig Angst vor dem, was sie nicht kennen oder nicht verstehen oder haben das Gefühl, dass ihnen etwas weggenommen wird, obwohl es eigentlich genau umgekehrt ist. „Wir sind nur hier, um Optionen anzubieten und nicht, um den Leuten Schuldgefühle zu machen oder ihr Verhalten zu ändern“, sagt etwa Gründerin Jenny.
Soll ich bleiben oder gehen?
Unsere Gesellschaft hat ein einzigartiges Verhältnis zum Alkohol. Alkohol ist die einzige Droge, bei der man sich rechtfertigen muss, wenn man sie nicht konsumiert. Das will der Mindful Drinking Club ändern. Jenny und Max sind sich einig, dass Low- und No-ABV eine Modeerscheinung ist, aber keine Phase. „Ich denke, es wird eine Weile dauern, bis sich Betriebe und Gäste daran gewöhnen und es akzeptieren“, sagt Jenny.
„Wir müssen die Dinge aufrütteln“
Sie erwarten sogar eine generelle Verschiebung zu einem achtsameren Lebensstil und eine Verschiebung der Generationen. „Nehmen wir das Beispiel des Weinbaus: Die Weinproduktion wird von einer neueren Generation übernommen. Diese jungen Erzeuger wollen die Tradition der Weinproduktion fortsetzen, aber sie fragen sich auch 'was können wir sonst noch tun?'." Die Gründer sind sich einig, dass immer mehr Gewohnheiten in Frage gestellt werden. „Das bedeutet nicht, dass wir alles komplett ändern sollten, aber wir müssen die Dinge aufrütteln und uns um die Verbesserung der Qualität bemühen."
Alkoholfreie Produkte
Die Vielfalt und Qualität der Low- und No-ABV-Produkte, die auf dem Markt landen, nimmt inzwischen ebenso zu, wie die Menge. Was als Nischenprodukt begann, findet seinen Platz auf dem Mainstream-Markt. Große Marken, die alkoholfreie Optionen produzieren, können zögernden Verbrauchern dabei helfen, sich mit diesem Segment anzufreunden. Jenny und Max sind sich sicher, dass manche Verbraucher vielleicht nie einen Fuß in den Mindful Drinking Club gesetzt hätten, wenn nicht große Marken immer öfter alkoholfreie Versionen ihrer Lieblingsbiere oder -Aperitifs vorstellen würden.
Kein Ersatz, sondern eine eigene Kategorie
Doch was Max und Jenny anbieten wollen, geht über solche Produkte hinaus: Sie wollen, dass alkoholfreie Getränke nicht mehr als "Alternativen" betrachtet werden, sondern den Verbrauchern qualitativ hochwertige Produkte vorstellen, die eine eigene Kategorie bilden. Denn das größte Vorurteil der Mindful-Drinking-Kultur ist der Vergleich: Es ist praktisch unmöglich, ein alkoholfreies Produkt herzustellen, das wie ein traditionelles alkoholisches schmeckt. In diese Kategorie zu kommen und Gleichwertigkeit zu erwarten, ist also ein Fauxpas.
Mit einer neuen Erwartungshaltung eine neue Getränkewelt entdecken
Der Mindfull Drinking Club will das Thema außerdem zugänglicher machen und seinen Gästen zeigen, dass sich eine ganz neue Welt von Getränken eröffnet, wenn man seine Erwartungshaltung einmal aufgegeben hat. Austausch und Aufklärung sowie die Weitergabe von Wissen sind daher wichtige Bestandteile ihres Konzepts. „Mit alkoholfreien Produkten muss man neu überdenken, wie man an Cocktails herangeht, weil man nicht dem üblichen Protokoll der Kombination von Spirituosen folgen kann," erklärt Max.
Nicht nachmachen, sondern neu schaffen
Aus der Getränkeszene gibt es bereits einige Beispiele, wie etwa Easip: sie versuchen nicht, das Geschmacksprofil eines bestehenden alkoholischen Getränks zu replizieren, sondern ein völlig neues Geschmacksprofil zu entwickeln. Bei den meisten Produkte in Jennys und Max‘ Regalen wird nicht erwähnt, dass sie alkoholfrei sind. Es sind einfach hochwertige, nachhaltige Produkte, die zufällig keinen Alkohol enthalten. Sie sind auch nicht an Marken interessiert, die entalkoholisieren: „Denn das bedeutet, etwas aus einem vollkommen feinen und fertigen Produkt herauszunehmen."
Wo passt der Mindful Drinking Club also hinein?
Der Mindful Drinking Club ist sowohl ein Online-Shop als auch ein physischer Standort in der Prenzlauer Allee. Es ist ein heller, offener Raum, der zu Gesprächen und Entdeckungen einlädt. Die Kunden können hier nicht nur über die Produkte selbst, sondern auch über das Konzept sprechen. Es ist also eine Art Showroom und ein Workshop-Ort für achtsames Trinken in Berlin. Bereits die Einrichtung zeigt, dass es kein gewöhnlicher Laden ist. In der Mitte steht eine große Insel, um Getränke und Ideen zu teilen. Es ist auch ein Ort zum Erforschen. Ein Ort des Austauschs, an dem jeder willkommen ist, zu teilen und zu lernen.
Es ist gut, sich zu diversifizieren
Während der Pandemie haben die beiden Gründer auch gelernt, dass es gut ist, sich zu diversifizieren: Daher planen die beiden, Workshops zu veranstalten und Leute dazu einzuladen, ihren eigenen Workshop zu veranstalten. Das Ziel ist es, das Thema leichter zugänglich zu machen. Der Club ist damit inklusiv für seine Mitglieder, aber exklusiv, wenn es um die Produkte geht, denn es gibt strenge Kriterien: Bei größeren Firmen wird erwartet, dass sie bio-zertifiziert sind. Produzenten, die nicht zur Philosophie passen, werden freundlich abgelehnt.
Gemeinsame Fallstudien mit den Gästen
Auch eigene Produkte, die im Laden verkauft werden, soll es geben. Mit dem Rotovap können zum Beispiel Aromen extrahiert werden. Verwendet wird er für Getränke und zum Kochen, aber auch als Lehrmittel. „Was wäre, wenn wir den Alkohol aus dem Wein entfernen und den Leuten zeigen, was das mit dem Wein macht?“, überlegt Max. „Wie schmeckt er, wenn man ihm etwas wegnimmt? Es gibt eine riesige Auswahl an Fallstudien, bei denen wir es kaum erwarten können, gemeinsam mit unseren Gästen zu arbeiten."
Technologisch achtsam
Auch technologisch sind die beiden achtsam aufgestellt. Sie arbeiten ausschließlich mit Kartenzahlungen und da Max ursprünglich Software-Ingenieur ist, haben sie ihre eigene digitale Plattform mit Blick auf Ethik und Transparenz entwickelt. Der Mindful Drinking Club lehnt auch die Verwendung von Cookies ab. Sie wollen alles in Deutschland hosten. Es wird kein Tracking von Produkten aus den USA geben, was sonst sehr üblich ist.
Mehr über den Mindful Drinking Club, 31, Prenzlauer Allee, 10405 Berlin, erfahren Sie unter: