5 Impulse für eine sozial nachhaltigere Barkultur

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Nachhaltigkeit, ganzheitlich verstanden und umgesetzt, bedeutet: Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten wie Abfallreduktion, Energiesparen und Ressourcenschonung werden auch soziale Merkmale berücksichtigt – im Team, im Dialog mit den Gästen, im lokalen Umfeld bis hin zur globalen Dimension. Wie funktioniert es? 5 Impulse von Jan-Peter Wulf. 

1. Fairness im Team ist die Basis sozialer Nachhaltigkeit

Es ist selbstverständlich und muss doch unbedingt genannt werden: Ein verantwortungsvolles, faires Miteinander im Team ist die Grundlage. Um sie – und das vor allem dann, wenn es hoch her geht oder die Zeiten schwierig sind – zu bewahren und zu sichern, sind feste Regeln und Abläufe sehr vorteilhaft. Weil jeder Betrieb anders ist und „tickt“, lassen sie sich nicht allgemeingültig formulieren. Zu ihnen könnten jedoch z.B. zählen:

  • dass (konstruktive) Kritik stets außerhalb der Schicht bzw. des Services geäußert wird
  • es regelmäßige Teambesprechungen und Einzel-Feedback-Gespräche gibt
  • eine respektvolle Kommunikation (z.B. nach Prinzipien gewaltfreier Kommunikation) verbindlich für alle ist, inklusive Führungskräfte und Inhaber
  • dass Transparenz im Dialog gepflegt wird, z.B. in Form von Offenlegung der wirtschaftlichen Situation, um notwendige Entscheidungen verständlich zu machen
  • dass festgelegt wird, was zu tun ist, wenn sich Probleme teamintern nicht lösen lassen (z.B. durch Zuhilfenahme externen Coachings oder einer Supervision, um Konflikte nicht schwelen zu lassen)
  • die vertrauensvolle Übertragung von Verantwortung (Beschaffung, Prokura etc.)
  • der Abbau von Hierarchien hin zu mehr „alle machen alles“ bei gleichzeitigem Fokus auf individuelle Qualitäten (Servicetalent, Mixologe etc.)
  • die Berücksichtigung individueller zeitlicher Bedürfnisse der Mitarbeitenden (Teilzeit, Kinderbetreuung, Vaterschaft/Mutterschaft Auszeit etc.)
  • eine faire, idealerweise gleiche bzw. ähnliche Bezahlung
  • die Förderung von Diversität und Inklusion
 

2. Maßnahmen für Gesundheit und Prävention ergreifen

Eng mit dem ersten Punkt verbunden ist der Themenbereich Gesundheit und Prävention. Bartender wissen es und erleben es oft schmerzhaft: Das Arbeiten hinter dem Tresen, das Shaken, Bücken und Heben, das Tragen schwerer Gegenstände sowie die ständigen Nachtschichten sind körperlich extrem fordernd. Umso wichtiger ist es, dass jede Bar sich ein eigenes Konzept für die physische wie mentale Gesundheit seines Teams erarbeitet. Faktoren sind unter anderem:

  • ein ergonomischer Arbeitsplatz vom Grundaufbau bis zu Details wie der Platzierung der Tools und Flaschen
  • Bereitstellen von Geräten, die die körperliche Anstrengung reduzieren (z.B. Standmixer statt Shaker)
  • Standards für Vorbereitung, Mise en Place und Aufräumen nach Ende der Öffnungszeit schaffen, um kräftezehrende Tätigkeiten zu minimieren
  • Teamworkshops mit Physiotherapeuten zur ergonomischen Bewertung und Verbesserung von Arbeitsabläufen, Handgriffen und Belastungsintensität veranstalten
  • Bereitstellung von Stützmaterial: aufrichtende Kleidungsstücke, individuelle Schuheinlagen für festen Stand oder Tapes zur Stabilisation (idealerweise auch in Abstimmung mit Experten für Physiotherapie)
  • Einplanen von ausreichend Freizeit, mehreren freien Tagen hintereinander, mitarbeiterfreundliche Urlaubsplanung, sowie die Möglichkeit, (unbezahlte) Pausen einzulegen
  • „gesunde“ Dienstkleidung aus biologischen, chemiefreien Stoffen
  • kein Alkohol vor und während der Schicht, eine klare Inhouse-Regelung für den Feierabend (alkoholische Getränke ja oder nein, wie viele etc.)
  • regelmäßige persönliche Feedback-Gespräche zum Thema körperliche und mentale Gesundheit


Mehr zum Thema Gesundheit an der Bar: Tipps für ein besseres SECS-Leben von Tim Judge (Healthy Hospo)



3. Angebote zur individuellen und kollektiven Weiterentwicklung schaffen

Zur sozialen Nachhaltigkeit gehört durchaus auch, dass alle Mitarbeitenden Angebote und Möglichkeiten erhalten, sich weiterzuentwickeln, und das beruflich wie persönlich. Interessen zu fördern und seinem Team die Chance zu geben, sich extern inspirieren zu lassen, steigert die Motivation, das Selbstvertrauen und die Skills – und dies kommt dem gesamten sozialen Gefüge namens Bar zugute. Beispiele für solche Aktivitäten sind:

  • die Möglichkeit geben, an Schulungen und Fortbildungen teilzunehmen
  • ebenso an industrieseitig angebotenen Veranstaltungen wie Wettbewerben, Master Classes oder Reisen
  • gemeinsame Besuche von z.B. Erzeuger- und Herstellerbetrieben in der Region
  • Förderung individueller berufsbezogener Interessen (bestimmte Getränkearten, Herstellung eigener Produkte, Sommelierkurse etc.)
  • Aufbau eines Netzwerks befreundeter Bars/Gastronomien für Gastschichten, Kurzpraktika und Hospitanzen, auch auf internationaler Ebene
  • auch in diesem Sinne: Auszeiten auf Wunsch ermöglichen, um Zeit und Raum für die persönliche Entfaltung zu schaffen


4. Gäste in das Konzept der sozialen Nachhaltigkeit einbeziehen

Auch die Gäste in der Bar sind ein Baustein sozialer Nachhaltigkeit. Das Gute: Höflichkeit, Freundlichkeit und ein ausgezeichneter, kompetenter Service sind ja ohnehin schon Bestandteile des „Kundendienstes“ in der Bar (im Gegensatz zu manch anderer Branche) – und wenn Aspekte wie die folgenden berücksichtigt werden, wird die Sache rund:

  • Barrierefreiheit (möglichst ebenerdiger Zugang zur Bar und zu den sanitären Anlagen bzw. Bereitstellung von Hilfsmaterialien wie Rampen)
  • sprachliche Barrierefreiheit (mehrsprachige Karte und Webseite, mehrsprachiges Team)
  • Transparenz (z.B. nützliche Informationen zur Herkunft der Produkte über die reine Deklarationspflicht hinaus geben)
  • Bereitstellung von kostenlosem Wasser zu den Getränken
  • Verzicht auf Mengen- und Preisrabatte wie Zwei-für-eins-Modelle oder Happy Hours
  • ein Angebot attraktiver, kreativer alkoholarmer und alkoholfreier Alternativen
  • das Gesamt-Nachhaltigkeitskonzept der Gastronomie (mehr dazu hier) für Gäste zugänglich und verständlich machen, z.B. vollständig auf der Webseite abrufbar und bei Nachfrage können alle Mitarbeitenden im Service Antworten geben
  • Sicherstellen, dass die Bar ein „safe space“ ist, z.B. durch Aushänge, dass Gäste das Personal informieren mögen, wenn sie belästigt werden
  • Definition und Kommunikation eines „safewords“ (vereinfacht belästigten Gästen, sich hilfesuchend an das Personal zu wenden


5. Soziales Engagement auf lokaler und globaler Ebene

Last but not least: Zur sozialen Nachhaltigkeit gehört auch, das Umfeld der Bar, die Region und die globale Ebene zu berücksichtigen. Auch hier bieten sich viele Möglichkeiten:

  • bevorzugter Bezug lokaler Produkte (Bier, AfG, Speisen, ausgewählte Spirituosen etc.) und bevorzugte Verwendung saisonaler Zutaten
  • Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben und Genusshandwerkerern aus der Region
  • Mitwirkung in lokalen Initiativen (z.B. Zusammenschluss örtlicher Gastronomiebetriebe, Unternehmerverband)
  • Verbandsarbeit (z.B. Deutsche Barkeeper-Union)
  • Kontaktpflege mit der Nachbarschaft für ein gutes Miteinander und schnelle Lösung von Problemen
  • Unterstützung von örtlichen sozialen Einrichtungen (z.B. durch Spenden oder Charity-Drinks)
  • Verwendung fair gehandelter Produkte (Kaffee, Kakao, Tee, Vanille, Gewürze etc.)
  • Unterstützung internationaler sozialer Initiativen