‚Botanical by Alfonse‘ über eine Erfolgsgeschichte „made in Belgium“

©  Fanny Myard

Von einer Bar auf Rädern und Sous-Vides Geräten von Lidl bis zum leuchtenden Stern an Belgien‘s Cocktail-Himmel - ‚Botanical by Alfonse‘ hat schon einiges hinter sich. Millie Milliken sprach mit dem Eigentümer-Ehepaar Charlie Guilliams and Valentin Norberg über Cocktail-Zauberei mit den Zutaten aus ihrem heimischen Umfeld

Als Charlotte ‘Charlie’ Guilliams vor 10 Jahren Valentin Norberg traf, war das privat wie beruflich eine witzige Geschichte. „Wir haben uns verabredet und überlegt, was wir mit unserer Zukunft anfangen sollten, und ich sagte: „Es klingt zwar albern, aber ich wollte eigentlich immer eine Bar haben,“ erklärt Guilliams. „Einen Ort, wo man zusammen einen Cider trinkt und eine nette Zeit verbringt, wie in einem Pub.“ Valentin hat gelacht und als ich ihn fragte “Warum lachst Du?“ sagte er. „Ich habe auch immer von einer eigenen Bar geträumt.“

Wir sind zehn Jahre weiter und jetzt leitet das Paar ‚Botanical by Alfonse‘ im belgischen Namur – eine Bar, die im berühmten Bierland in keine Schublade passt, wo Cocktails nicht unbedingt an der Tagesordnung sind. Das Team von ‚Botanical by Alfonse‘ zelebriert lokale und saisonale Produkte und agiert in einem Raum, der ästhetisch zum Ethos seiner Drinks passt; so hat sich die Truppe in den letzten Jahren einen Ruf erarbeitet und rangiert entspannt auf der Liste der ‚World’s 50 Best Bars Discovery‘.

Das war jedoch kein Spaziergang und die ersten Jahre, in denen sie ihren Traum verwirklichen wollten, sagt Guilliams, brachten manchen Rückschlag. „Wir entwarfen den Geschäftsplan und wandten uns an Banken, die lachten nur über uns: ‚Sie sind noch so jung, Sie haben kein Geld, kein Vermögen, Sie werden nie eine eigene Bar besitzen. Viel Glück – da ist die Tür.‘ ” Aber wie heißt es doch: „Not mach erfinderisch“ und so kam Norberg eine Idee. Er nahm die 500€, die sie hatten, kaufte einen Caravan, und brachte den zu dem kleinen gemeinsamen Apartment. Sie gaben ihm den Namen ‚Alfonse’. “Willst Du immer noch eine Bar?“ fragte er Guilliams und die sagte Ja.  

©  Fanny Myard

Der Samen war gesät

Norberg’s Erziehung hatte unmittelbar Einfluss auf die Art wie die Cocktails von ‚Botanical by Alfonse‘ entstehen. Auf dem Land aufgewachsen, kamen bei ihm zu Hause weder McDonalds noch Gefrierpizza auf dem Tisch, sondern Lebensmittel vom Land. Er begann sich zu fragen, warum bestimmte Dinge aus bestimmten Inhaltsstoffen gemacht wurden und wie man sicherstellen könne, dass auch hochwertige Drinks dabei herauskämen – ohne jegliche Berührungspunkte mit der Cocktailbranche waren die Haupteinflüsse die Lebensmittel, die sie umgaben.  

Norberg las sich ein bisschen Wissen zu den Klassikern online und aus Büchern an und gab ihnen seine eigene Note. Einige Cocktail-Wettbewerbe folgten – die er gewann – und plötzlich nahm auch die Cocktailwelt außerhalb ihrer Oase in Belgien von ihnen Notiz:  Der Ruf für diese bahnbrechende Art von Cocktails war geboren.

Es war tatsächlich einer dieser Wettbewerbe, der sie vom „Cocktails auf Rädern“ zum festen Domizil brachte, als noch eine der Bedingungen war, dass man eine Bar besitzen musste, um sie zu betreten. Klar – sie hatten ‚Alfonse‘, aber sie brauchten wirklich einen dauerhaften Platz und so begann die Suche. Mit wenig Geld und keiner Aussicht auf einen Kredit von der Bank suchten sie nach einem billigen, nicht mehr genutzten Objekt und stolperten über ein Gebäude in der Rue de Brasseurs 46, das jetzt ‚Botanical by Alfonse‘ beheimatet. Sieben Monate und 45 LKW-Ladungen Schutt später eröffneten sie schließlich 2018.

Den Zuspruch der lokalen Kundschaft zu gewinnen, kostete anfangs ein bisschen Gewöhnung, erklärt Guilliams. „Es war für einige schon schwierig. Sie betrachteten uns als nettes junges Paar voller Energie, die sie unterstützen wollten und sie wollten auch etwas bei uns trinken. Aber dann bestellten sie ein Bier oder eine Cola – sie hatten das Konzept nicht ganz verstanden.“ Drei Monate nach der Eröffnung gewannen sie jedoch den Gault&Millau Preise als Cocktail Bar des Jahres 2019 und das brachte genau den Schub, den sie brauchten. „Den Einheimischen war plötzlich egal, ob sie Cocktails mochten oder nicht, denn sie vertrauten auf Gault&Millau so sehr, dass sie sagten: Wenn die sagen, wir sind gut, dann kommen sie auch.“

© Fanny Myard

Träume leben

Die Anfänge der Bar waren bescheiden, aber machbar. Kein Labor, nur eine schlichte Kochstelle and ein Sous-Vide-Gerät von Lidl als Ausrüstung. „Wir hatten keinen coolen Bartender aus London, Paris oder sonst wo,” erinnert sich Norberg. „Es kamen Einheimische, Leute aus der belgischen Barszene, Leute, die wirklich interessiert waren, an dem was wir machen.“ Heute haben sie einen Rotationsverdampfer, eine Zentrifuge – ein richtig nettes Labor, um die Techniken ihres kleinen, aber feinen Teams weiter zu verfeinern.

Sie hatten auch den Traum, die Pflanzen für die Inhaltsstoffe ihrer Cocktails selbst anzubauen. „Anfangs hatten wir ein Gewächshaus neben der Bar, wollten da etwas anbauen, pflücken, was wir brauchten und dann die Pflanzen nachpflanzen bzw. sie wieder in den Garten zurücksetzen,“ erklärt Guilliams. „Das was unser Traum – hat aber nicht funktioniert. Es hat gerade mal 2 Wochen funktioniert. Jedes Mal, wenn wir etwas geerntet haben, sind die Pflanzen abgestorben.“

Die Gerichte wechselten alle vier Wochen, heute alle 2 Monate, damit das Team Zeit hat, kreativ zu sein und das volle Potential der Inhaltsstoffe auszuschöpfen. Sie arbeiten mit einem Stadtgarten (für die täglichen Inhaltsstoffe wie Feigenblätter oder Trauben) und einem Waldgarten („wo die wahren Schätze wachsen“) um ihren Cocktails das gewisse Etwas zu geben. Letzterer wird von Norberg’s Mutter betrieben und es findet sich darin alles von Szechuanpfeffer bis Tomaten und sogar Huacatay Kräutern („sie hat die vor allen anderen angebaut“). Daneben können sie noch Ware von einem Gemüsemarkt, einem Blumenladen und Restaurants beziehen.

Diese von Inhaltsstoffen geleitete Philosophie scheint sich zunehmend durchzusetzen. „Es macht Sinn mit den saisonalen Inhaltsstoffen zu arbeiten, die wir wirklich einsetzen wollen,“ erläutert Guilliams. „Wir wollen kreativ mit dem umgehen, was wir haben und manches Mal wird man ja einfallsreicher, wenn man nur wenige Lösungen hat, weil man sich dann viel mehr Gedanken machen muss.“ 

Ein Artikel von Millie Milliken,

Award-winning Drinks and Hospitality Journalist