Walk-Ins vs. Reservierungen: Welche Strategie für welches Konzept?

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Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 


How Bars of Berlin work #1 – mit Buck and Breck und Bar Neiro

Reservierungen: In der Berliner Restaurantwelt setzen sie sich immer mehr durch. Doch machen sie auch im Barbereich Sinn? Die Antwort: Es kommt drauf an. Worauf genau, das erklären uns Gonçalo de Sousa Monteiro vom „Buck & Breck“ und Erik Breuer von der neuen „Bar Neiro“. 

 

BUCK & BRECK

Dass es im „Buck & Breck“ kein Reservierungsangebot gibt (genauer: fast keines, dazu später mehr), vorne geklingelt wird und dann eventuell Einlass gewährt wird, sei keine Türpolitik, wie man sie aus dem Clubbereich kennt. Sondern Platzpolitik, betont Betreiber Gonçalo de Sousa Monteiro. Schließlich hat die Location an der Brunnenstraße gerade einmal 30 Sitz- sowie maximal 15 Stehplätze. In frühen Jahren der 2010 eröffneten Bar habe man, wenn es voll war, die Option eines Rückrufs angeboten, wenn wieder Plätze frei wurden. Was sich jedoch bald als logistisch schwierig erwiesen habe. Heute bittet man schlicht um etwas Geduld, oft ist nach 15, 20 Minuten ja wieder was frei.

 

„Eine Bar ist kein Restaurant“

Seit der Covid-Pandemie, hat der Betreiber beobachtet, seien die Leute noch geduldiger und wartebereiter geworden. Für Gonçalo de Sousa Monteiro ist die Sache klar: „Eine Bar ist kein Restaurant. Deswegen sind Reservierungen aus meiner Sicht schwierig.“ In einem Restaurant könne man die Verweildauer abschätzen – viele Betriebe bieten mittlerweile sogar zwei, manchmal drei Seating-Slots an –, doch in einer Bar? Kommt jemand auf einen Drink vorbei oder darf es ein längerer Abend werden? Das lässt sich im Vorhinein tatsächlich nur schwer abschätzen, und mitunter ist es auch eine spontane Entscheidung, wohingegen es nur selten vorkommt, dass sich ein Restaurantgast einen zweiten Hauptgang bestellt oder das Menü noch einmal von vorne beginnt. „Wir wollen die Spontaneität des Besuchs nicht einschränken“, so der Betreiber. 

 Gonçalo de Sousa Monteiro, Barbetreiber des Buck & Breck

© Katja Hiendlmayer

Per Kurzstrecke nach Potsdam?

Was man indes – subtil – managt, ist die Kongruenz von Verweilen und Bestellen. Die forciert man im eigenen wirtschaftlichen sowie im Interesse der wartenden Gäste. „Das forcieren wir“, so de Sousa Monteiro: „Habt ihr noch einen Wunsch?“ Ja gleich neue Drinks. Nein gleich Fertigstellen und Überreichen der Rechnung. Eine Bar, seine Bar jedenfalls, ist eben auch kein Kaffeehaus, in dem die Gäste mit der Zeitung im Klemmbrett stundenlang über ihrer Melange hocken. Selten erzeuge dies verdutzte Blicke, so der Chef. Er habe für den Fall der Fälle, nämlich dass es zu einer Beschwerde komme, schon einen Satz vorformuliert: „Das ist wie mit der Kurzstrecke zu versuchen bis nach Potsdam zu kommen.“ Eine wohl für jeden Gast plausible Analogie, die jedoch noch nie zum verbalen Einsatz kommen musste. Spricht auch für das Publikum.

Das „Buck & Breck“ aus Berlin

© Katja Hiendlmayer

Samstags bleibt die Bar zu

Stichwort Publikum: Die Bar hat samstags zu. Am Haupt-Ausgehtag! Warum? Genau deswegen: Die Schichte seien anstrengender, weil das Verhalten der Gäste an einem Samstag ein anderes (anstrengenderes) sei, so der Betreiber. Den Unterschied der Belastung zwischen einem Mittwoch und einem Samstag kennt wohl jeder, der hinter dem Tresen tätig ist. Aufgrund der überschaubaren Größe und des kontinuierlichen Flows an den Öffnungstagen ist es für das „Buck and Breck“ möglich, auf diesen Tag zu verzichten – was dem Barteam mehr „quality time“ am Wochenende beschert.

Gar keine Reservierungen? Doch!

Zwei kleine Ausnahmen in Sachen Reservierungen macht man indes doch: Möchte eine etwas größere Gruppe – zum Beispiel Barkulturfans auf Berlinbesuch – im Vorhinein sicherstellen, dass sie Einlass und einen Platz bekommt, so bietet man ihr einen Tisch zum Apero vor 20 Uhr an. Und einen „sehr kleinen“ Anteil an Reservierungen akzeptiere man zudem bis 22 Uhr. Ein Reservierungstool gibt es nicht und wird es auch wohl nicht geben. Anrufen, anfragen – und gegebenenfalls wird es dann entsprechend notiert. „Alles eine Sache der Kommunikation“, so Gonçalo de Sousa Monteiro.  

BAR NEIRO

Ist eine Bar doch ein Restaurant?

Mit Reservierungen wie in vielen Restaurants hingegen arbeitet Erik Breuer, Betreiber der „Bar Neiro“ in der Ohmstraße. Aus verschiedenen Gründen: Erstens gibt dies seinen Gästen die Garantie, auch wirklich einen Platz in der überschaubar großen Location zu bekommen. Zweitens ist es aus seiner Sicht nicht praktikabel, Gäste zu bitten, später noch einmal vorbei zu schauen, denn anders als beim „Buck and Breck“ gibt es ringsum, man befindet sich in einer Hinterhof-Location im ersten Stock nahe der U-Bahn-Station Heinrich-Heine-Straße, so gut wie keine weiteren Bars. 

 

High-Fidelity-Location nach Japan-Vorbild

Und drittens: Die „Bar Neiro“ ist eine Listening-Bar nach dem Vorbild der japanischen kissas – es läuft meist Jazz-Musik vom echten Vinyl, eine ganze Platte wird durchgespielt und in die Akustik der Location hat Breuer, der gleich nebenan ein Tonstudio betreibt, viel investiert. Auf der Webseite wird detailliert aufgelistet, wie sich das High-Fidelity-Setup der Bar zusammen setzt. Allerdings ist man nicht so strikt wie in manchen Listening-Bars in Japan, wo Stille im Publikum herrscht, während die Platte durchläuft. Es darf sich hier gerne unterhalten werden, während die Musik spielt und man die Drinks von Barchef Jeff Berraoui (zuvor im „Truffle Pig“) genießt.  

Die Berliner Listening-Bar „Bar Neiro"

© Tomas Miño

80% Reservierungen, 20% Walk-Ins

Allerdings lassen sich die Frequenzen so besser orchestrieren, um im Bild zu bleiben: Das Reservierungsangebot mache deutlicher, dass es sich um eine besondere Art von Bar handelt. Zudem lassen sich auf diese Weise Enttäuschungen, weggeschickt zu werden, fast vollständig aus dem Wege räumen. Erik Breuer: „Wir ermutigen zur Reservierung. Die Leute sollen wissen, was für eine Bar hier ist.“ Grob schätzt er, dass man zu 80 Prozent mit Reservierungen operiere und zu 20 Prozent mit Walk-Ins – ein Verhältnis, das in vielen Restaurants angewendet wird. Weitere Analogie: Wer online reserviert (bis zu 4 Personen sind möglich), erhält ein Zeitfenster von mindestens zwei Stunden – je nach Nachfrage.


Keine No-Show-Gebühren

Eine Tischgarantie gibt es indes nicht, was wiederum dem Aufbau der Location, die sowohl über Tisch- als auch Tresenplätze verfügt, geschuldet ist. Und anders als im Restaurantbereich immer häufiger anzutreffen, belastet man Kreditkarten nicht vor und erhebt auch keine No-Show-Gebühren. Man habe bisher auch nur sehr wenige Fälle erlebt, in denen Gäste einfach nicht auftauchten. In der Regel werde, kann jemand die Reservierung nicht wahrnehmen, rechtzeitig abgesagt oder auf einen anderen Slot umgebucht, erklärt Breuer. So rechtzeitig, dass man dann über die Warteliste – die gibt es hier nämlich auch – oder Spontangäste auffüllen könne. 

 

„Schneller erfolgreich als gedacht“

Er sei sehr erfreut darüber, berichtet der hauptberufliche Tontechniker, dass seine Bar derart schnell Anklang gefunden habe. „Wir sind viel schneller erfolgreich mit der Bar Neiro geworden als gedacht“, erklärt er. Dabei war der Beginn des Projekts durchaus zäh, die Pandemie verzögerte den Bau des Tonstudios um rund zwei Jahre und die Bar als Add-On schob sich dadurch ebenfalls weit nach hinten. Im Februar 2023 begann man mit Testläufen, bevor sich die Türen im April regulär öffneten. Neben Jazz wird gelegentlich auch Elektronisches aufgelegt, gemixt wird – wenngleich es zwei Plattenspieler gibt – jedoch nur Flüssiges an der Bar. Kuratierte Abende mit Talks – Gespräche über die Künstler und die Musik, die dann zu hören ist – sind hingegen in Planung.

Übrigens: Wer doch einmal spontan vor der Tür stehen sollte, ohne Reservierung und Aussicht auf einen sofortigen Platz, kann sich gerne zurückrufen lassen, sobald etwas frei ist. Ganz wie in den Anfangszeiten des „Buck & Breck“.

Erik Breuer, Betreiber der Bar Neiro

© Dico Baskoro

Barchef der Bar Neiro, Jeff Berraoui 

© Iqbal Zuhdi

 

 

Buck & Breck

Brunnenstraße 177, 10119 Berlin

https://www.buckandbreck.com/

 

Bar Neiro

Ohmstraße 11, 10179 Berlin

http://barneiro.com/