Let’s talk about „Drink Masters“

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Ist die neue Netflix-Serie über Bartender sehenswert? - Ein Kommentar von Damien Guichard

 

Aufgewachsen in einer kleinen Stadt mitten im Nirgendwo in Südfrankreich, bin ich mit internationaler Kultur und Trends nur über die Mainstream-Medien in Berührung gekommen. Hauptsächlich über das öffentliche Fernsehen und die Lokalzeitung, die gerade auf dem Küchentisch lag. Zwischen Werbespots und Nachrichtensendungen bot das öffentlich-rechtliche Fernsehen allerdings nicht die relevantesten Inhalte für ein junges Kind, das cool sein wollte. Und die Lokalzeitung? Viel mehr als lokale Ereignisse gab es da nicht zu lesen: Mein Kumpel Clément schaffte es einmal auf die Titelseite, weil er einen großen Karpfen gefangen hatte – nicht den größten Karpfen, nur einen großen.

 

Von der Nische zum Mainstream

Spulen wir einmal 20 Jahre vor: Informationen strömen jetzt ohne geografische Unterscheidung auf unsere Bildschirme, wir alle erhalten die brandaktuellsten Nachrichten sofort. Die Technologie befriedigt unsere ausgefallensten Nischeninteressen mit einer Fülle von Informationen. Ob diese Informationen korrekt sind oder nicht, ist eine andere Frage. Popkultur entsteht – wie der Name schon sagt – aus dem, was gerade populär ist. Je mehr Menschen sich für ein bestimmtes Thema interessieren, desto mehr rückt es aus der Nische in den Vordergrund der Popkultur.

Als ich mich entschied, in der Barwelt zu arbeiten, war es die Tatsache, dass es sich um eine Nische und den „Underground“ handelte, die mich anzog: Die Welt der Bartender ist eine Subkultur und zu einer Gemeinschaft zu gehören, die nicht dem Mainstream entspricht, war sicherlich der Reiz des Ganzen.

 

Das Paradoxon der Barbranche

Das größte Paradoxon unserer Branche besteht meiner Meinung nach darin, dass wir alle sehr nischenorientiert sind und eine sehr zwanglose, manchmal unaufgeregte Kundschaft bedienen: Nicht jeder unserer Gäste interessiert sich dafür, was in seinen Cocktail kommt, und das ist auch gut so. Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass unsere Arbeit und unser Können anerkannt und ernst genommen werden. Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass die Professionalisierung unserer Branche nicht ohne die Zustimmung und das Verständnis des Durchschnittsbürgers (auch bekannt als unser Gast) vonstattengehen wird, und wir wissen, wie wichtig es ist, dass der Durchschnittsbürger uns kennt. Wir sind keine Alkoholiker mit einem Gehaltsscheck. Wir sind Profis, die ihr Handwerk mit Hingabe und Leidenschaft ausüben und wir wünschen uns, dass die Leute das auch sehen.

 

Das neue Erfolgsrezept von Netflix?

Netflix startet nun also mit einem Format im Stil von Masterchef – nur dass diesmal Cocktails die Stars sind. In der Jury sitzen große Namen – keine Geringeren als die Branchenlegenden Julie Reiner und Frankie Solarik, moderiert wird die Serie zudem von einem sehr coolen und charmanten Tone Bell. Es sollte also die perfekte Gelegenheit sein, unser Handwerk ins wohlverdiente Licht zu rücken. Aber ist sie das? Das Jury-Urteil steht noch aus.

Zu Beginn der Serie lernen wir die Teilnehmer kennen: eine Gruppe von Bartendern aus verschiedensten Bars, die alle über sehr unterschiedliche Erfahrungen verfügen. Die erste Folge beginnt mit einem Gezänk vor laufender Kamera, bei dem es darum geht, wer die Flasche Orangenlikör bekommt, was den Ton für den Rest der Folge angibt. Diesem Austausch folgen einige unverschämte und egoistische Bemerkungen und eine sehr fragwürdige Cocktailtechnik (Trockeneis *seufz*) ... aber ich beschloss weiterzuschauen.

Die Leistungen der Teilnehmer sind unterschiedlich: Einige konzentrieren sich mehr auf die Ästhetik als auf das Getränk selbst, einige konzentrieren sich zu sehr auf kleine Details und einige haben Probleme mit den grundlegenden Techniken. Zwei Kandidaten stechen sofort heraus und man kann schon nach den ersten Minuten des Zuschauens erahnen, wer im Finale stehen wird.

Ich hatte schon immer eine Schwäche für diese Wettbewerbe im Stil von Kochshows: Backen, Glasblasen, was auch immer es ist – ich bin dabei! Ich war gespannt, wie sich meine eigene Branche in einem solchen Format darstellen würde... mein einziger Kommentar zu diesem Format ist also: „Ich bin dabei“. Allerdings habe ich Drink Masters mit ein wenig Bedauern geschaut…

 

Fehlende Darstellung des Gemeinschaftssinns

Zunächst einmal finde ich, dass unsere Branche einen erstaunlichen Sinn für Solidarität und Gemeinschaft hat. Da es keine formale Ausbildungsstruktur gibt, sind wir auf großzügige Mentoren angewiesen und haben ein Verantwortungsgefühl entwickelt, uns gegenseitig weiterzubilden und selbstlos Wissen weiterzugeben. Ich wünschte, ich hätte mehr davon in der Sendung sehen können. Wettbewerbe sind, nun ja, Wettbewerbe, aber das sollte nicht auf Kosten der Werte gehen, an die Bartender glauben. Ich hätte mir mehr Unterstützung zwischen den Wettbewerbern gewünscht – oder zumindest weniger Streitigkeiten.

 

Sichtbarkeit der aktuellen Trends fehlt

Ich fand auch, dass die Techniken, die in den Challenges hervorgehoben wurden, irgendwie irrelevant für die aktuellen Trends waren. Bei Drink Masters kristallisierte sich wieder einmal ein Problem heraus, das jede Mainstream-Produktion hat, wenn es um Nischeninteressen geht. Der Produktionswert ist sehr hoch, aber es wurde nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit darauf verwendet, eine Show zu kreieren, die wirklich die aktuellen Trends und Herausforderungen unserer Branche repräsentiert: Smoked Cocktails, Trockeneis und verschwenderische Garnierungen gehören der Vergangenheit an. Unsere Gemeinschaft hat sich als unendlich innovativ erwiesen, wenn es um moderne Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und Abfall geht oder einfach darum, das Erlebnis des Gastes in den Mittelpunkt der Bar zu stellen. Es ist eine Schande, dass diese Aspekte zugunsten veralteter Gimmicks ignoriert wurden.

 

Anerkennung der Branche

Davon abgesehen sehe ich einen großen Wert darin, eine Sendung wie Drink Masters auf Netflix zu haben. Unsere Branche will unbedingt ernst genommen werden. In unseren Cocktails steckt eine Menge Arbeit und wenn die Leute auf der größten Streaming-Plattform der Welt einen Blick darauf werfen können, ist das ein Schritt in die richtige Richtung, um nie wieder Dinge wie „Ich bezahle nicht für Eis“ oder „Was machst du eigentlich, wenn du nicht in der Bar arbeitest?“ zu hören. Wir brauchen eine gewisse Anerkennung der Rituale der Mixologie, wenn wir anfangen wollen, über die Themen zu sprechen, die wirklich wichtig sind.

 

Einblicke in die Welt des Bartending

Ich sehe Drink Masters als eine Möglichkeit, den Mainstream-Zuschauer in unsere Welt zu locken und zu hoffen, dass er für eine zweite Runde bleibt. Je mehr die Bartending-Szene zum Mainstream wird, desto mehr Wertschätzung kann sie erfahren. Je mehr Wertschätzung sie erfährt, desto besser können wir behandelt werden. Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten, schlechte Verträge, Stress, psychische Probleme und geringere Lebensqualität sind ein fester Bestandteil unserer Branche und sollten Teil einer größeren Diskussion sein, die nur möglich ist, wenn wir ernst genommen werden.

Was den eigentlichen Wettbewerb angeht: Niemand schafft es beim ersten Mal perfekt zu sein, daher freue ich mich schon auf eine zweite Staffel!