The Gibson von Marian Beke schlägt in Berlin ein neues Kapitel auf
© Ben Fuchs
Bar ohne Namen
Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.
Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.
Marian Beke bringt sein preisgekröntes Konzept „The Gibson“ von London in die deutsche Hauptstadt. Mit Aviran Avidan und Omer Gazit, die aus dem „Bellboy“ kommen, führt er nahe des Potsdamer Platzes seine Drink- und Barphilosophie fort – effektvoll und kindliche Freude schaffend, doch mit hohem Anspruch an die Qualität.
Die Reise von Marian Bekes „The Gibson“ geht ins zehnte Jahr: Eröffnet hat der gebürtige Slowake seine erste eigene Bar im Jahr 2015 in der Old Street und betrieb sie bis zum März 2023, dann lief der Mietvertrag aus. Ein guter Zeitpunkt – in dem Sinne, dass zur gleichen Zeit die Gastro-Unternehmer Aviran Avidan und Omer Gazit, Avidan Mitgründer von „Bellboy“, Gazit langjähriger Mitarbeiter, sich neu zu orientieren und Pläne für neue Projekte zu schmieden begannen. Mittlerweile sind sie aus der „Bellboy Group“, die neben Berlin auch das Stammhaus in Tel Aviv betreibt, ausgeschieden.
Zudem kennen die drei sich schon länger: Beke war es schließlich, der das extravagante Cocktailkonzept für die Bar-Marke mit der Badeente schuf und nach der Schließung seiner Bar im Berliner Outlet mitwirkte, die Stadt und ihre Gäste kennen lernte. Kurz: Die drei haben sich gut vorbereitet für ihr gemeinsames Projekt, nämlich ein neues Kapitel in Sachen „The Gibson“ aufzuschlagen.
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Anderthalb Tonnen Barstuff
Was unterscheidet „The Gibson Berlin“ von „The Gibson London“, was bringt man von dort mit? In erster Linie jede Menge Barstuff, erklärt Beke lachend: „Wir haben anderthalb Tonnen mit dem LKW hergebracht: Cocktailbücher, Arbeitsmaterial, Dekoration, es ist unglaublich, was sich über so eine Zeit alles anhäuft.“ Und, fürs Gesamtgewicht nicht unerheblich: den hauseigenen Wermut, hergestellt bei „Del Professore“ in Italien. 200, 300 Flaschen davon habe er noch vorrätig, erklärt Beke, die Produktionsstätte wurde nach Übernahme der Marke leider geschlossen.
Mal sehen, wie lange man damit noch hinkommt. Schließlich ist dieser Wermut essenziell für den ikonischen „Gibson Martini“: Es ist ein halbtrockener Wermut, angereichert mit Gewürzen, die man zum Einlegen von Gemüse verwendet – Süße und Umami verbinden sich ihn ihm. Denn so ikonisch der Martini sein mag: Viele Gäste, hat Beke beobachtet, haben doch einen Vorbehalt vor diesem mitunter sehr trockenen Drink. „Und oft ist er zu warm und zu wässrig. Ich hatte selbst als Gast oft mit solchen Martinis zu kämpfen“, erklärt Beke.
The Gibson Martini Experience
Die Gäste im „The Gibson“ dürfen sich hingegen auf eine wunderbare Martini-Experience freuen: Sie geht los mit in Balsamico eingelegten Perlzwiebeln, die süßsauer statt scharfsauer sind, geht weiter mit einem Sip des knackigkalten Martinis, in dem der Wermut Raum zur Entfaltung hat und viel Körper einbringt. Eine Nickelschicht – Spezialanfertigung – auf dem Trinkgefäß verhindert Metallgeschmack. Zum Schluss, wenn der Drink seine alkoholische Kraft entfaltet, nimmt Parmesan den Druck raus und fügt noch einmal ordentlich „Herzhaftigkeit“ hinzu.
Den Klassiker hat man zusammen mit vier weiteren Martini-Varianten auf die Berliner Karte übernommen, das war zu erwarten. Ansonsten wurde sie gegenüber der Londoner Bar ein wenig reduziert: Dort waren es weit über 50 plus temporäre Drinks. Geschuldet der Tatsache, dass in dieser Zeit – vor dem Brexit, vor Covid – die Londoner Barwelt enorm kompetitiv und von hohem Innovationsdruck geprägt war. Rein geschäftlich betrachtet sei dies nicht sehr smart gewesen, erinnert sich Beke – ständig neue Drinks, neue Produkte, neue Karten, das ist ein permanenter Invest.
Cocktail-Kalender
Die Berliner Karte ist ein Kalender: Zwölf Monate, zwölf (das ganze Jahr über verfügbare) Cocktails, dazu in jeder Jahreszeit vier saisonale Drinks. Wir probieren den Mai: Der „Hobby Mule“ kommt in einem imposanten Birkenbecher daher: Süßgras-Vodka (auch als Bisongras-Vodka bekannt, ein kleiner Berliner Kult), Kürbispüree, Gurkensaft und Pale-Ale-Bier zählen zu den Zutaten des mit Eichenmoos garnierten, süffigen Drinks. Nicht minder aufmerksamkeitsstark sind der „Don’t be a Peacock“, dessen Inhalt – Mezcal, ein Hauch Absinth, Agave, Avocadoblätter und ein Püree aus jungen Erbsen für grasige, bittere Noten – durch einen Trinkhalm am Pfauenhals gesogen wird. Oder der „Out Of This World“ in einer kleinen Rakete, unter der eine knisternde Wunderkerze den Treibstoff-Strahl mimt. Die Rakete ist, völlig weltraumuntauglich, aus Kork – was dem Drink wiederum eine geschmackliche Nuance mitgibt: „Dadurch wird er im Verlauf etwas trockener und bekommt Tannine mit“, so Beke.
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„Es darf nie nur ein Gimmick sein“
Es dürfte auch allen, die Bekes Arbeit bisher noch nicht kennen, klar werden: Hier geht es um weit mehr als um einen äußeren Effekt, mehr als nur um „instagramability“. Die App gab es noch gar nicht, als er begann, Cocktails nach dieser Art zu kreieren. Das tat er schließlich schon im „Nightjar“, wo er vor seiner eigenen Bar rund fünf Jahre tätig war. Die Tatsache, dass es sich um eine Speakeasybar handelte, sei kein hinreichendes Differenzierungsmerkmal gewesen, erinnert er sich, solche Bars machten ständig neu auf und klassische Drinks gab es überall. Die Frage, mit der man sich zu beschäftigen hatte, sei ergo gewesen: „Wie machen wir Cocktails konzeptueller? Glas, Story, Name, Garnitur? Es darf nie nur ein Gimmick sein: Es beginnt immer mit dem Drink und aus diesem gehen dann Garnitur und Glas hervor. So auch bei einem der alkoholfreien Cocktails des Programms: „Burn It Up“ basiert auf einem selbst hergestellten, cognacbasierten und entakoholisierten Destillat. Birne, Rosinen sowie Moschusduft in einem zweiten, mit dem ersten verbundenen Glas bringen Geschmack, Geruch und Optik zusammen.
Kindliche Gefühle evozieren
„Uns geht es darum, eine Erinnerung und Gefühle zu erzeugen, die man als Erwachsener sonst nicht hat oder haben sollte“, erklärt Bekes Geschäftspartner Omer Gazit, der lange Zeit selbst als Bartender tätig war. Aufregung, Verwunderung, vielleicht sogar Skepsis im ersten Augenblick, wenn die opulenten Gefäße – selbst das Wasser kommt aus einem Fischbauch – an den Tisch oder den Tresen kommen. Verbunden mit absoluter Seriosität in Sachen Qualität: „Es ist nicht einfach, einen Ort zu schaffen, der zugleich lustig und elaboriert ist. Lebhaft, aber mit Sorgfalt für die Drinks. Das ist eine Herausforderung an den Service.“
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Food, Zigarren, Disco
55 Plätze hat das „The Gibson Berlin“, dazu kommen 25 im Außenbereich, wo auch Zigarren – die gab es schon im Londoner Vorgänger – geschmaucht werden dürfen. Auf Live-Jazz wie in der Old Street verzichtet man und setzt stattdessen auf Playlists mit Funk, Soul und Co. In Sachen Food will man dafür deutlich mehr auffahren: Kleine Snacks zu den Drinks gibt es ja sowieso, aber auch Kooperationen mit Köchen der Stadt und dem beliebten Restaurant „Berta“ gleich nebenan im Hotelgebäude des „Precise Tale Potsdamer Platz“ strebt man an. Und eine Mini-Disco wird noch gebaut.
Internationalere Barszene als London
Ideen für gemeinsame Konzepte über dieses hinaus gibt es auch schon, aber erst einmal will man nun – Herausforderung genug – mit „The Gibson Berlin“ in der Stadt ankommen. Beke freut sich darauf: „Berlin hat viele internationale Gäste, aber auch tolle Bartender aus der ganzen Welt. Ich habe den Eindruck, die Barszene ist heute sogar gemischter als in London. Und viele verschiedene Kulturen zu haben ist wichtig für eine Barszene, die sich weiterentwickeln will.“