The Alchemist in Berlin: Premiere für das britische Cocktailbar-Restaurant auf dem Festland
© White Kitchen
Bar ohne Namen
Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.
Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.
Effektvoll inszenierte Cocktails und Partystimmung am Abend, tagsüber Brunch und Kaffee: Mit seinem Ganztageskonzept hat sich „The Alchemist“ in vielen Städten Großbritanniens etabliert. Nun hat die Kette in Berlin ihr erstes Outlet auf dem europäischen Festland eröffnet. Wie kam es dazu, wie „tickt“ und was dürfen Gäste hier erwarten? Jan-Peter Wulf hat die brandneue Location am Potsdamer Platz besucht.
Pumpende laute Dancemusic schallt uns beim Betreten entgehen. An der Bar sehen wir Funken sprühen und Dampf aus Kolben aufsteigen, die auf Tabletts gestellt und durch die große Location zu den Tischen getragen werden. Das Barteam ist schon am frühen Abend auf Betriebstemperatur: An den Stationen der langen Bar wird viel geshakt, gerührt, gemixt. Wir sind im „The Alchemist“ gelandet – beziehungsweise: Das „The Alchemist“ ist hier gelandet, in Berlin am Potsdamer Platz. Warum denn hier? Der Platz ist eigentlich nicht unbedingt der Ort, zu dem es die Leute zieht, um Drinks zu nehmen und ausgelassen feiern zu können. Überhaupt: Das in den Nachwende-Jahren entstandene Areal – damals größte Baustelle Europas – ist trotz seiner beeindruckenden Bauten immer noch ein gefühlter Fremdkörper in der Stadt.
Vom Nicht-Ort zum „Place to Be“?
Doch das soll sich nun ganz offensichtlich ändern – und dazu sollen Food and Beverage maßgeblich beitragen. Im selben Gebäudekomplex, in dem sich „The Alchemist“ befindet, eröffnete kürzlich das „Manifesto“, ein hippes Hybrid aus klassischem Shopping-Mall-Foodcourt und Streetfoodmarkt mit zwei Dutzend Konzepten. Im Untergeschoss, das zum Bahnhof führt, versammeln sich unter dem Namen „The Playce“ ebenfalls zahlreiche Imbisse und Restaurants. 2024 kommt, nur einmal über die Straße rüber, mit dem aus London stammenden Foodmarkt „Kerb“ ein weiteres Großprojekt dazu. Und dann wäre da ja noch der immerhin größte Foodcourt Deutschlands in der ebenfalls sehr nahe gelegenen „Mall of Berlin“. Hinzu kommen zahlreiche Individualkonzepte, etwa das 2022 eröffnete Casual-Dining-Restaurant „Frederick’s“ mit eigener Bar. Vom Hotdog-Imbiss bis zum Zwei-Sterne-Restaurant ist hier heute alles vertreten – nun also auch ein junges Barkonzept.
Wissenschaftlich begründete Wahl
Als der Projektentwickler „Brookfield Properties“, der diese Neuentwicklung des Potsdamer Platzes maßgeblich vorantreibt, an „The Alchemist“ herangetreten sei, habe man sich entschieden, nicht nur den Schritt nach Berlin zu gehen, sondern auch hierher, erklärt uns Jenny McPhee, Brand Director von „The Alchemist“. Zuvor ließ man in einer Projektarbeit Studierende der „Manchester Business School“ weltweit sozioökonomisch wie kulturell analysieren, in welches Land man mit dem Gastro-Unternehmen am besten expandieren könne. Das Ergebnis: Germany. Über weitere Städte – etwa München, Düsseldorf oder Frankfurt – denke man bereits nach, erfahren wir.
22 Betriebe, rund 1.200 Beschäftigte
„The Alchemist“ gibt es seit 2010. Das erste Outlet eröffnete die Gastro-Gruppe „Living Ventures“, die auch Food-Konzepte wie „Gusto“ oder „Australasia“ in die Multiplikation gebracht hat, in Manchester. Zwischenzeitlich stiegen große Investoren ein, heute hat die Marke 22 Betriebe mit rund 1.200 Beschäftigten auf der Insel von Portsmouth bis Glasgow. Das sind Dimensionen, die der von Individualbetrieben geprägten deutschen Barlandschaft fremd sind. Von Systemen wie „Sausalitos“ oder „Enchilada“ abgesehen, der beide schon in den 1990er-Jahren starteten, gibt es Ketten, in denen Cocktails zur Kernkompetenz gehören, praktisch nicht. Was „The Alchemist“ mit den beiden verbindet, ist Food – dort mexikanisch, hier internationales „Comfort Food“ von koreanischen Burgern über Fish and Chips bis zum Rib-Eye-Steak mit Garnelen. Auch Brunch bietet man an. So komme es, erfahren wir, dass das „The Alchemist Embassy Gardens“ an der Londoner US-Botschaft vor allem ein Lunch-Restaurant und zum Nachmittagskaffee (oder Tee natürlich) stark frequentiert ist. Während die Filiale in Edinburgh ihren Umsatz zu über 90 Prozent aus Cocktails und am Abend mache. Diese Vielseitigkeit im Angebot könnte sich am Berliner Standort, an dem es viele Büros gibt, als nützlich erweisen. Platz ist mit rund 150 Plätzen innen und 50 außen reichlich vorhanden.
Cocktails mit Showeffekt
Das Alleinstellungsmerkmal der Kette jedoch ist die „immersive Cocktail-Experience“, wie es die Markendirektorin McPhee nennt: Nahezu jeder Drink wird hier auf eine besondere Art und Weise inszeniert. So etwa der süße „Cherry Poppins“ mit fruchtigem Gin, Amaretto, Kirsche, Erdbeere und der Spezialzutat „Bubble“: Die wackelnde milchige Blase mit überraschend stabiler Haut wird am Platz per Handgerät auf das Nick-and-Nora-Glas gezogen und darf von den Gästen dann zum Beispiel mit der Nase zum Platzen gebracht werden, was den Rauch freisetzt. Ein First-Date-Drink? Der „Colour Changing One“ mit Wodka, Apfellikör, Soda verändert mit seiner Ingredienz „pure Magie“, seine Farbe. Trockeneis in den Gläsern lässt die Drinks rauchen und blubbern, es erinnert ein wenig an den Chemieunterricht. Ein essbares Eigelb aus Zucker toppt das Glas des „Breaking & Eggs“ und darf mit Löffelschwung zerschlagen werden, beim „The Edible One“ können die Gäste sogar das Trinkgefäß verzehren. Sehr instagrammable bzw. Tiktok-freundlich ist all das. Man sieht kaum einen Tisch, an dem nicht erst das Smartphone gezückt wird, bevor der erste Schluck genommen wird. Es erinnert ein wenig an das, was das Bellboy am Gendarmenmarkt auf in gewissen Maßen vergleichbare Art tut – mit ungewöhnlichen Darreichungsformen für Aufmerksamkeit, Unterhaltung und Spaß sorgen.
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Geschwindigkeit und Effizienz
Dahinter steckt eine ganze Menge Arbeit. Sowohl für die Bar, die auch bei hohem Gästeandrang – und auf den ist das Konzept hier in Berlin zweifelsohne ausgerichtet – zügig hinterherkommen muss, als auch für den Service, der neben dem Aufnehmen der Bestellungen und dem Servieren der Getränke auch die zahlreichen Showeffekte durchführen oder dabei unterstützen muss. Aiden Lindsay, Head Bartender des neuen Berliner „The Alchemist“, bestätigt dies: Es gehe nur mit Training, Training und nochmals Training. In Berlin habe man zwei Wochen lang, bevor die Türen sich öffneten, „viele Drinks für niemanden“ gemacht, um gemeinsam die aufwendigen Prozesse einzuüben. In bestehenden Betrieben wird neuen Mitarbeitenden in den ersten Wochen stets eine Begleitung zur Seite gestellt. Eine Gruppe erfahrener Bartenderinnen und Bartender reise zwischen den Outlets hin und her, um die Teams vor Ort zu schulen, erklärt uns der Birminghamer, der selbst schon in allen „The Alchemist“-Outlets trainiert hat.
Beidhändigkeit ist das Ziel
„Bei uns geht es sehr um Schnelligkeit und Effizienz“, bringt es Lindsay auf den Punkt. „Becoming ambidextrous“, also beidhändig zu werden, sei das Ziel: links shaken, rechts Bier zapfen, Spirituosen in vier Gläser gleichzeitig ausgießen, während man eine Unterhaltung führt, eine große Flaschenbestellung mit Speedopenern zügigst abarbeiten (was gar ein Praxistest am Ende der Einarbeitungsphase ist). Die Arbeit sei intensiv, aber sie bereite auch großen Spaß: „It’s a fun environment“, so Lindsay.
Nun bleibt abzuwarten, ob der Fun-Funke von „The Alchemist“ auch zu den Berlinern und Berlin-Besuchern, die zum Potsdamer Platz kommen, überspringt. Dafür wird es sicherlich hilfreich sein, wenn der Betrieb schnell sein individuelles Profil bekommt, sich im wahrsten Sinne des Wortes lokalisiert. Erste Ansätze dafür sind in der Karte, die ansonsten zentral aufgesetzt wird, zu finden: das Fassbier kommt vom Brauhaus „Hops & Barley“ aus Friedrichshain und als Bitterlimonaden verwendet man die Produkte von Thomas Henry aus Berlin, dessen Namenspatron einst, da schließt sich ein kleiner Kreis, Apotheker in Manchester war.
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