Lovis Bar Berlin: Entdecke die Möglichkeiten! 

© Wilmina

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 


Barprofis benötigen vermutlich nicht mehr als eine Zehntelsekunde, um beim Blick auf Rückbuffet der „Lovis Bar“ zu realisieren: Hier läuft was anders, hier wird’s spannend. Denn statt bunter Flaschen diverser Marken stehen vollkommen identische Apothekerflaschen nebeneinander, allein die Flüssigkeiten darin schimmern durch das markanten Braunglas hindurch in leicht unterschiedlichen Tönungen. Unser Autor Jan-Peter Wulf hat sich aufklären und inspirieren lassen.

Früher Knast, heute Hotel

Die Anfang 2023 eröffnete Bar „Lovis“ liegt in einem ruhigen Hinterhof an der sonst so lauten und trubeligen Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Es ist ein ziemlich einzigartiger Hinterhof: Das umliegende Haus war nämlich einst ein Frauengefängnis und wurde aufwändig zu einem Hotel umgebaut. „Wilmina“ heißt das Hotel, hat 44 Zimmer (zwei Zellen wurden jeweils zusammengelegt) und bietet seinen Gästen mit Sauna, Pool oder Fitnessbereich deutlich mehr Komfort als der vorherige „Betrieb“ hier. Die Bar und das Restaurant, beide heißen „Lovis“, sind ans Haus angeschlossen, operieren jedoch – wie moderne Hotelbars und -restaurants es ja immer häufiger tun – konzeptuell eigenständig. Sie wollen die Hotelgäste ebenso ansprechen wie Externe. Über eine schicke Lounge – mit Grünpflanzen-Arrangement hinter der vollflächigen Fensterfront – sind sie miteinander verbunden.

Koordinatensystem-Karte

Zurück an den Tresen, hinter welchem Barchef Nils Lutterbach (zuvor im „Galander Kreuzberg“, Berlin) und sein kleines, zurzeit zweiköpfiges Team walten. Was hat es denn nun mit den braunen Flaschen auf sich? Uns wird die Karte gereicht. In ihr sind die Drinks nicht einfach aufgelistet. Statt dessen blicken wir auf ein Koordinatensystem mit einer X-Achse, auf der es von leicht nach kräftig geht, während die Y-Achse von süß nach trocken reicht. In diese Parameter wurden zwölf Drinks eingeordnet – der leichteste und lieblichste also oben links, der stärkste und trockenste unten rechts. Drinknamen? Fehlanzeige, es gibt nur Nummern, fortlaufend nach den selbst entwickelten Rezepturen. Spirituosenarten? Markennennungen? Gibt es auch nicht. 

 

© Jan-Peter Wulf

Zum Probieren animieren

Der Grund dafür: Es soll nur um die Aromatik gehen, statt dass nach einem Getränk mit einer bestimmten Marke, Stichwort „brand call“, gefragt wird. Oder dass der Drink bestellt wird, den man immer bestellt, weil es der – vermeintliche – Lieblingsdrink ist. Das kennt wohl jeder Bartender: Viele Gäste glauben, genau zu wissen, was sie mögen und was nicht. Doch ist das wirklich so? Oder anders gefragt: Wie bekommt man Gäste dazu, sich auf etwas Neues einzulassen? In der „Lovis Bar“ hat man sich ganz offensichtlich viele Gedanken darüber gemacht. Eigentlich, so berichtet uns Lutterbach, habe er schon Jahren, als er noch als Bartender in Hannover tätig war, darüber sinniert und erste Ideen für jene Karte ausgearbeitet, die wir nun hier vorfinden. Drink Nummer 42 beispielsweise „heißt“ Birne, Süßholz, Palo Santo. 35 listet Mispel, Kräuter und Säure auf. Der stärkste und trockenste im aktuellen Sortiment, Nummer 43, besteht aus umami, Mineralien und  Johannisbeere. Spannend!

Einladung, kein Dogma

Übrigens lenkt auch kein Preis von der Wahl ab – jeder Drink kostet dasselbe. Dass dahinter eine ausgeklügelte Mischkalkulation steckt, kann man sich denken. Auch denken kann man sich, dass sich Connaisseure, die das „Lovis“ gezielt aufsuchen, gerne auf dieses schöne Spiel einlassen – Aromen entdecken, Komponenten erschmecken. Aber (wie) ist das mit „normalen“ Gästen? Zumal in einer Hotelbar, die das „Lovis“ ja organisatorisch immer noch ist, in denen ja oft das Prinzip „keine Experimente“ gilt? Lutterbach erklärt: Zunächst einmal ist das Ganze absolut kein Dogma. Wer „seinen“ Drink haben möchte, der bekommt ihn gerne serviert. Vielmehr verstehe sich das Kartenkonzept als eine Einladung – nämlich zum Probieren, unbeeinflusst von Facings, Visibility und vermeintlichen Lieblingsdrinks.

 

Entdecken, was man mag

Natürlich braucht es dafür Anhaltspunkte, sonst kann es schiefgehen. Wer gerne Gin(-Drinks) trinkt, erläutert der Barchef, den hole man über eine Frage dieser Art ab: Was genau magst du denn an Gin besonders? Die Zitrusnote? Oder eher das Krautige, Würzige? So könne man die Gäste durch das Koordinatensystem führen. Es kommt noch eine weitere Hilfe ins Spiel, und zwar in Form eines Mikrodrinks. Er wird in einem kleinen Schüsselchen serviert. Es ist Drink, der auf der Karte steht, sondern eine Orientierungshilfe – in unserem Fall besteht sie aus Kaffeegeist, Bananenbrand, Molke und Limette. Lutterbach tippt in den linken oberen Quadranten des Systems, zwischen die dort angesiedelten Cocktails. Da ist dieser „Referenzdrink“ angesiedelt.

Sagt uns diese Ecke, diese Richtung zu? Oder soll es weiter nach Norden, Süden, Osten, Westen gehen? Wir wollen es gerne noch etwas kräftiger und trockener und wählen die Nummer 19, Position Südsüdost: Vogelbeere, Fichte, Zitrone. Ein Drink mit Charakter – Fichtensprossen in der Nase, dezente Zitrusfrucht, beerige, feinbittere Basis. Sehr harmonisch. Aber auch sehr intensiv. Geschmackssache eben! 

© Jan-Peter Wulf

Erfolgsfaktor Produktqualität

„Natürlich ist da ein gewisses Risiko drin“, erklärt der Barchef. Munde jemandem der ausgewählte Drink partout nicht, offeriere man ohne Diskussion und Aufpreis selbstverständlich, etwas anderes. Allerdings komme das so gut wie nie vor – das Gradationsprinzip funktioniere bei allen Gästen, ob Hotel- und Restaurantgästen oder lokalem Publikum, das auf ein, zwei Drinks vorbeischaut, sehr gut. Lutterbach: „Die Leute entdecken über unsere Karte Neues.“ Erfolgsbasis? Konsequent hohe Produktqualität. Die Spirituosen bezieht man nahezu ausschließlich von kleinen, handwerklichen Brennern, vornehmlich aus deutschen Landen bzw. aus heimischen Gefilden.

 

Wechselseitige Inspiration

Auch dieser Ansatz verbindet Restaurant und Bar: So, wie Küchenchefin Sophia Rudolph (sie war zuvor im „Panama“ tätig) ihre Gerichte aus hochwertigen, oft saisonal-regionalen Zutaten kreiert und puristisch betitelt, indem lediglich die Ingredienzien aufgeführt werden, hält man es auch am Tresen – der Fokus wird auf die Zutat und deren Aroma gelegt. Sie habe schon im „Panama“ eng mit der dazugehörigen „Tiger Bar“ zusammengearbeitet, erklärt Sophia Rudolph, die den Austausch sehr schätzt: „Wir inspirieren die Bar mit Zutaten, die bei uns in der Küche verwendet werden, und andersherum können wir uns auch vom Mixen inspirieren lassen und lernen dabei Produkte kennen, die auch für die Küche interessant sind.“

Zum aktuellen Dessertgang „Kirsche, Sakura, Marzipan“ beispielsweise wird ein Drink auf Basis des Kirschtees gereicht, der auch in die Speise eingearbeitet ist. Vier ausgewählte Cocktails schickt die Bar ins Restaurant – teils vorbereitet, um sich gut in den Menüablauf einpassen zu können. Und vice versa kommen von dort Barsnacks wie Sauerteigbrot und aufgeschlagene Butter, eine Käseauswahl oder eine Aufschnittplatte. Perspektivisch will man das Barfood-Angebot noch weiter ausbauen.


© Jan-Peter Wulf

Ziel: eine der besten Bars Berlins

Am meisten Spaß mache ihm und seinem Team die Arbeit, so Lutterbach, wenn sich – und das ist vor allem am Wochenende der Fall – die Gästegruppen mischen: Restaurantgäste, die zum Aperitif kommen (die Bar öffnet eine halbe Stunde früher) oder für Drinks nach dem Dinner, Hotelgäste, die spät abends aus der Stadt zurückkehren und „locals“, die sich währenddessen dazu gesellen. Hotelbar, Restaurantbar, Bar-Bar? Lutterbach: „Wir sind ein bisschen von allem“. Jedoch ohne beliebig zu sein, sondern im Gegenteil – sehr individuell. Und mit dem selbsterklärten hohen Ziel versehen, als eine der Top-Bars der Stadt wahrgenommen zu werden. 

 

Lovis Bar & Restaurant

Kantstraße 79, 10627 Berlin

www.lovisbar.com