Le Jardin Berlin: Barkultur im Grünen, mitten in der Stadt
© Jan-Peter Wulf
Bar ohne Namen
Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.
Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.
Am Hackeschen Markt grüßt das neue „Le Jardin“ mit üppigen Pflanzendekors, Drink-Verfeinerungen aus dem eigenen Lab und großherziger Gastfreundschaft. Voilà!
Eigentlich war Yannik Walter ja schon im „Bartender-Ruhestand“: Seinen Rückzug aus der Branche hatte er im vergangenen Jahr auf Instagram kundgetan. Eigentlich wollte der gelernte Kommunikationsdesigner eine eigene Agentur launchen. Doch dann kam alles anders, als nämlich Tim Peters, Betreiber der Bar „Kitty Cheng“ auf der Torstraße, auf ihn zukam: Wie wäre es mit einer eigenen Bar? Und es war nicht das erste Mal: „Ich habe Tim tatsächlich an meinem allerersten Tag in Berlin kennen gelernt“, erzählt Walter – 2017, als er just in der „Amano Bar“ zu mixen begann. Auch schon damals hatte sein damaliger Gast und Kollege ihm gesagt, dass sie irgendwann einmal gemeinsam eine Bar machen würden.
Eventlocation raus, Garten rein
Sechs Jahre später ist es soweit: In rund viermonatiger Umbauzeit – hierfür arbeitete man mit „3x3 Solutions“ zusammen – wurde aus der Ex-Eventlocation „The Liberate“ die Cocktailbar „Le Jardin“, direkt an den Bögen der Bahntrasse, der Hackesche Markt gleich ums Eck. Die pompösen goldfarbenen Sitzpolster und Musterböden flogen raus, die Barhocker wurden neu bezogen. Die markanten Holzjalousien vor der langen Fensterfront blieben. Ebenso der Tresen, der sich durch die gesamte Location zieht, mitsamt all seinen Macken und Kratzern, die viele Jahren Benutzung hinterlassen haben. Das bringt ein wenig Patina ins Spiel. „Der Tresen ist eine Maßanfertigung eines Interieur-Designers aus Hongkong. Er wurde per Container nach Deutschland geschifft“, erklärt uns Walter. Und tatsächlich fügt er sich mit seiner geschwungenen Form organisch ins neue, naturnah gestaltete Konzept mit Flaschengärten, Grünpflanzen sowie Lampen- und Wanddekorationen aus Kunstpflanzen ein.
Microgreens aus der Indoor-Farm
Im Entrée wurden Indoor-Farmen aufgebaut, unter lilafarbenem LED-Licht wachsen hier Microgreens und Kräuter: Limettenbasilikum (damit wird u.a. Gin für die hauseigene Martini-Abwandlung infusioniert), Amarettokraut, Minze, Kapuzinerkresse oder Lavendel, um nur einige der Gewächse zu nennen, gedeihen hier. Weitere Mikrogrüns und -kräuter kommen vom Partner „Gourmet Greens“, der viele Restaurants und Bars mit seinen aromatischen Pflänzchen versorgt.
Verarbeitet werden sie im offenen, für die Gäste einsehbaren „Lab“, das sich auf halber Strecke zwischen dem vorderen und dem hinteren, großen Bar- und Loungebereich befindet. Hier darf sich das Barteam – insgesamt sind rund zwölf Personen im „Le Jardin“ beschäftigt – austoben: Mit Zentrifuge, Rotationsverdampfer, Ultraschallbecken und Co. werden hier Flavours für die Drinks aus den Pflanzen geholt.
© Jan-Peter Wulf
Work-Life-Balance
Und nicht nur das Equipment und den Raum für Kreativität stellen Walter und Peters bereits, sondern auch Geld: Am Anfang jedes Monats bekommt das Barteam ein Budget zur freien Verfügung – für die Anschaffung von Material, von Ware zum Experimentieren, für die Entwicklung neuer Ideen. Und am Ende des Monats, so jedenfalls der Plan, wird präsentiert, was man ausgetüftelt hat. Impulse werden schließlich benötigt, wenn man wie geplant dreimal im Jahr eine neue Barkarte schreiben will. Viele Urlaubstage, überdurchschnittliche Bezahlung, keine Schicht, die länger als sechs Stunden dauert (man arbeitet mit zwei Schichten pro Abend) und perspektivisch Vier-Tage-Woche – man wolle viel dafür tun, dass sich niemand aufreiben und die Freizeit leiden muss, erklärt der langjährige Bartender, dem diese Balance aus Work und Life bisher oft gefehlt hat, wie er berichtet. Finanzieren wolle man die Benefits auch durch die Vermarktung der Bar für exklusive Events im Rahmen wichtiger Termine in der Stadt – Berlinale, Fashion Week, ITB und natürlich BCB.
Gelebte Gastfreundschaft
Im Zentrum des Konzepts stehen indes weder das „biophilic design“ noch die Cocktails und Highballs trotz hoher Qualität und Individualität, sondern die Gäste. Man wolle sich in Sachen Hospitality besonders hervortun, erklärt der Bar-Gründer, und man freue sich über Touristen – die flanieren hier den ganzen Tag entlang – ebenso wie über lokale Gäste. Das ist ja wirklich nicht überall so in der Stadt.
© Jan-Peter Wulf
Der Garten wächst
Man hat noch so einiges vor im „Le Jardin“: Food-Events mit befreundeten Restaurants. Im Obergeschoss: ein separater Raum im Art-déco-Stil als Rückzugsort für Gäste, die es lieber etwas ruhiger mögen, während unten die Regler am Mischpult auch mal etwas höher gedreht werden dürfen und Funk, Soul oder Jazz den Raum beschallen. Und für die nächste Freiluftsaison wird die Terrasse aufgemöbelt – mit Efeu- und Weinranken als grünes Dach, Weinen by the glass and by the bottle und, damit wird die französisch angehauchte Sache rund, einer richtigen Boulebahn. Kurz: Das „Le Jardin“ soll immer weiter wachsen und gedeihen, wie es sich für einen Garten eben gehört.
© Jan-Peter Wulf