Chateau Royal, Roots & Berta: Zu Gast in drei neuen Berliner Hotelbars
© Florian Groehn
Früher gingen die Berliner grundsätzlich nicht in eine (Berliner) Hotelbar. Den Bann brach 2009 die „Amano Bar“ im gleichnamigen Hotel in Mitte, die sich schnell zum „place to be“ entwickelte. Erfolgskonzepte wie die „Monkey Bar“ im „25hours“ und die Bar im „Hotel am Steinplatz“ schlossen sich an. Jetzt, nach Corona (hoffentlich!), trumpft eine neue Generation auf. Jan-Peter Wulf hat sich an die Tresen des „Chateau Royal“, der Bar „Roots“ und der „Berta Bar“ gesetzt.
Draußen ist ein nasskalter Montagabend in Berlin. Drinnen herrscht hingegen geradezu Wochenendstimmung: Offene Weinflaschen stehen auf den Tischen, viele gefüllte und geleerte Gläser, Schalen mit Austern auf Eis auf dem Tresen. Das Publikum: wie bei einer Vernissage. Schick gemusterte Stoffanzüge, schwarze Brillen, Breitcord. Wir stehen in der Bar des Hotel „Chateau Royal“, jenem Gastro-Kosmos entsprungen, dessen Fixstern der legendäre „Grill Royal“ ist. „Grill“-Mitgründer Stephan Landwehr hat das Hotel zusammen mit seinem Manager Moritz Estermann und der isländischen Köchin Victoria Eliasdóttir eröffnet.
Gründerzeit meets 1920s
Das „Chateau Royal“ ist ein Boutique-Hotel – ein großes allerdings, fast 100 Zimmer hat es. Seine Innenarchitektur ist nicht nur inspiriert von der Berliner Gründerzeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts und den berühmten 1920er-Jahren, sondern sogar errichtet in zwei nebeneinander liegenden, nun miteinander verbundenen Gebäuden aus diesen beiden Epochen.
Chateau Royal © Felix Brueggemann
Man sieht Fischgrät und quadratisches Parkett, helle Eiche, farbigen Marmor, Craquelé-Fliesen (in der offenen Küche olivgrün), die man von den U-Bahn-Stationen im Berliner Westen kennt. Licht hinter bunten Dallglas-Rechtecken lässt den Treppenaufgang wie das aus filigranem Messing errichtete Rückbuffet der Hotelbar erleuchten.
Nostalgischer Esprit
Am l-förmigen Bartresen – auf ihm hockt ein kunstvoll gestalteter Kakadu – lassen wir uns nieder und fragen nach der Karte. Die Weinkarte kommt zuerst (ist hier offensichtlich im Fokus), ist viele Seiten lang und Dutzende Positionen stark. Die Cocktailkarte hat zwar nur 13 Positionen, davon drei nichtalkoholische, dafür sind es allesamt Eigenkreationen wie der „Chateau Express“ mit Gin, weißem Wermut, Sencha, Minze und Amalfi-Zitrone. Nach kurzem Gespräch mit dem freundlichen Barmann Curtis (das kleine Team leitet Matteo Vacca, der zuvor Barmanager im „Soho House“ war, ein ähnlich exklusives Haus) fällt die Wahl auf den Mezcal-Drink „Hello, Stranger“ mit rotem Wermut, Chili und Schokolade, geklärt mit Kokosnussmilch. Kommt subito, ist rauchig und seidig zugleich, hat schöne Tiefe durch die Schoko-Aromen, ein guter Drink an einem kühlen Montag. Wer ein Hüngerchen verspüren sollte, darf sich zwischen Sandwiches mit Austernseitlingen, Kaviar mit Knäckebrot, einer Käseauswahl oder krossen Kartoffelscheiben entscheiden. So gemütlich hier verweilend, mag man kaum glauben, dass das Haus erst im Herbst 2022 eröffnet wurde. Interieur, Ambiente und Atmosphäre lassen das „Chateau Royal“ im besten Sinne gemeint schon lange da wirken. Anders formuliert: Man sieht und spürt, dass dieser Ort nicht auf den schnellen Trend, sondern auf eine gewisse Zeitlosigkeit abzielt, gepaart mit nostalgischem Esprit. Ein besonderer Ort, der hier entstanden ist.
Barkultur im historischen Kommunikationszentrum
Wir ziehen weiter. Eine Viertelstunde per pedes ist es zum zweiten neuen Hotel, von dem man in Berlin zurzeit spricht, dem „Telegraphenamt“ in Mitte. Auch hier gibt es fast 100 Zimmer, auch hier wurde ein Gebäude vom Beginn des 20. Jahrhunderts – in dem sich einst eine der modernsten und größten Kommunikationszentralen Europas befand – umfangreich renoviert.
Roots © Florian Groehn
Und auch hier zeichnet ein stadtbekannter Gastronom verantwortlich: Roland Mary, Kopf des Restaurants „Borchardt“, Promitreff und Schnitzel-Kultladen, und des großen „Café am Neuen See“, ist hier sowohl Hotelier als auch Restaurant- und Barbetreiber. Fügt sich das „Chateau Royal“ mit seiner Ecklage fast zurückhaltend ins Straßenbild ein, hat das „Telegraphenamt“ mitsamt Vorfahrt das Flair eines Grandhotels. Und das direkt am Monbijoupark, eine Toplage zweifelsohne.
Die Bar „Root“ ist riesengroß
Das große Entree mutet mit seinen vielen Pflanzen, Bänken und dem Eyecatcher, einem Teil der historische Rohrpostanlage nicht wie eine klassische Hotellobby an, vielmehr wie ein großes Wohnzimmer. Zwischen „Nichtlobby“ und dem großen Restaurant „Root“ unter einem Glasatrium (das es auch, noch eine Parallele, über dem Innenhof des „Chateau Royal“ gibt), ist die „Root“- Bar. Wow: Ein riesiger Raum und darin ein sich inselförmig rings um einen massiven Stützpfeiler ausbreitender Tresen, den entlangzulaufen ungefähr die Länge eines Martinis dauern dürfte. Die Flaschen stehen auf einem umlaufenden massiven Holzbrett, das von der Decke hängt. In der Bar „Root“ herrscht – und es ist weiterhin ein Montag und unseres Wissens nach weder Modewoche noch Filmfestival – noch mehr Partystimmung. Viele Gäste nippen neben dem DJ-Pult, an dem ein DJ gerade ein housiges Set mixt, an ihren Drinks oder haben es sich mit Getränken und Snacks an den Couchtischen oder im erhöhten Sitzbereich an der Rückwand bequem gemacht.
Ausgelegt auf hohes Volumen
Die Speisen aus der langen offenen Restaurantküche werden gerne auch an der Bar serviert. Sushi bildet den Schwerpunkt der Speisekarte, ferner finden sich Tartar, Meeresfrüchte- und Gemüse-Tempura oder Teriyaki-Spieße auf der Karte. Die Barkarte hat man mit rund 20 Drinks vergleichsweise schmal gehalten. Einige von ihnen interessanter Weise mit einem Uhrsymbol daneben, das die Gäste auf eine längere Zubereitungszeit hinweisen soll. Da es sich aber ausschließlich um Klassiker bzw. Twists mit maximal fünf Zutaten handelt und keine Kreationen, für die man erst Küchentechnik anwerfen müsste, richtet man sich ganz offensichtlich als High-Volume-Bar aus. Wie dem auch sei: Unser „Blood And Sand“ (an dem ist auch eine Uhr vermerkt) steht zügig vor uns und schmeckt optimal. Einen Barchef bzw. eine Barchefin gibt es hier übrigens nicht, erfahren wir. Das Team ist der Chef – und macht seine Sache an diesem Abend richtig gut.
Berta erobert die Stresemannstraße
Die dritte neue Hotelbar besuchen wir an einem Freitag. Es ist noch ruhig, was schlicht daran liegt, dass wir uns zum Gespräch vor der abendlichen Öffnung verabredet haben. Auf die Stresemannstraße verirrte man sich als Berliner zum Ausgehen bisher praktisch nicht, es gab einfach wenig Gründe dafür.
Berta Bar © Vision Photos
Doch seit Wochen spricht die ganze Foodszene der Stadt von einer gewissen Berta. Gemeint ist das Restaurant, das der israelische Starkoch Assaf Granit nach seiner Großmutter (die einst in Berlin lebte) benannt und im neuen Hotel „Precise Tale Berlin Potsdamer Platz“ eröffnet hat. Die Levanteküche, das Ambiente, die Partystimmung, der Service – alles wird in höchsten Tönen gelobt.
Partystimmung
Und das zurecht, wie wir später an diesem Abend selbst erleben dürfen, als uns Barchefin Noa Kadim mit ins Restaurant nimmt. Es ist ab Minute eins der abendlichen Öffnung auf Volltouren, die Musik ist laut, überall passiert etwas. An der kleinen Restaurant-Bar (die gibt es nämlich zusätzlich) probieren wird zwei der fünf nach den Geschmacksrichtungen konzipierten Drinks: Während der „Melucha“ als Margarita-Abwandlung mit Maraschino, Salz und pinken Pfefferkörnen die salzige Note betont und sehr drinkable ist, kommt „Amamit“ mit wenig Süße daher, dafür mit ausgeprägt herzhafter, grasiger, ja fischiger Note durch den mit Wakame-Algen infusionierten Gin, dazu Grüntee, Wermut und eine grüne Olive. Als Standalone-Drink wäre das eine echte Ansage, doch im Zusammenspiel mit den herzhaften Speisen ist es eine überraschend runde Sache.
Die Bar als Kontrapunkt
Zwischen dem „Berta“-Restaurant und der „Berta“-Bar, die separate Eingänge haben, befindet sich übrigens das weitläufige Frühstücksrestaurant und Tagescafé „Bamia“, das übrigens mit einem klasse Brunch aufwartet. Wo man früher nur vorbeigehuscht ist Richtung Potsdamer Platz oder Kreuzberg, kann man nun den ganzen Tag verbringen – und beschließt ihn idealer Weise mit Drinks in der dunklen, dezent eingerichteten Cocktailbar, die einen klaren Kontrapunkt zum sehr verspielt und ornamental eingerichteten Restaurant setzt. Hier ist Entschleunigung angesagt. „Wir verstehen Berta als eine Persönlichkeit“, erklärt uns Noa Kadim, die zuvor u.a. im legendären „Hotel Montefiori“ in Tel Aviv und für die „Precise Tale“-Gruppe in Paris tätig war. Während die „Berta“ drüben die großherzige Mama ist, die zur großen Küchenparty lädt, ist sie hier die charmante Gastgeberin, die ihre Gäste zum Drink in ihr Wohnzimmer bittet. Jenen Charme will Noa Kadim über die persönliche Konversation transportieren, die sie und ihr vierköpfiges Team mit den Gästen führt. Man nehme sich dafür viel Zeit: „Die Leute sollen sich in uns vergucken und deswegen wiederkommen“, sagt sie lachend.
Vom Sirup zum Signature Drink
Zum Vergucken sind auch die Drinks nach eigener Kreation: Die Barchefin hat sie auf hausgemachten Sirups aufgebaut, die wir allesamt probieren – Moscato d’Asti und schwarzer Pfeffer, Kürbis und Thymian, Birne-Sternanis-Zimt, Rosmarin, Sellerie, zudem ein Sour auf Karottenbasis. Mit Letzterem beispielsweise wird hier der „Gezer“ gemixt – im Zusammenspiel mit Cognac, Wermut, Orangenlikör und Olivenöl. Unsere Wahl fällt auf Nana: Weißer Rum, Rye Whiskey, Fernet Branca und roter Wermut, mit Kaffee und der jemenitischen Gewürzmischung Hawaij infusioniert. Klingt überkomplex, aber ist ein so hocharomatisches wie harmonisches Geschmackserlebnis. Aus der Küche direkt hinter der Bar werde man zukünftig auch Barfood schicken, erfahren wir. Man kann sich nicht beklagen, hier nicht aus dem Vollen schöpfen und vollends genießen zu dürfen.
Kurzes Fazit: Berlin ist um drei Hotelbars reicher geworden, die das alte Klischee der müden Absackerbar denkbar weit hinter sich lassen und stattdessen mit kreativen Drinks, Bar- und Restaurantfood und besonderem Ambiente locken. Kein Zimmer oben drüber gebucht und trotzdem unten in die Bar gehen? Aber bitte doch.
Chateau Royal
Neustädtische Kirchstraße 3
10117 Berlin
www.chateauroyalberlin.com
Root im Hotel Telegraphenamt
Monbijoustraße 11
10117 Berlin
www.telegraphenamt.com/food-drink
Berta Bar
Stresemannstraße 99
10963 Berlin
www.precisehotels.com/tale-berlin/gastronomie/berta-bar