Foodpairing als Zusammenspiel zwischen Bar und Küche
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So inszeniert das Sterne-Restaurant Golvet seine Drinks und Speisen
Die Speisen wurden bereits mit einem Stern ausgezeichnet. Doch auch was das Bar-Angebot angeht, ist das „Golvet“ am Potsdamer Platz eine der Top-Restaurantadressen Berlins. Jetzt legen das Bar- und Küchenteam unter der Leitung von Yannik Walter und Jonas Zörner noch eine Schippe drauf – mit aufs Menü abgestimmten, nachhaltig konzipierten Getränken und einer, richtig gelesen, essbaren Barkarte.
Um den Ausblick, den Yannik Walter von seinem neuen Arbeitsplatz aus hat, dürften ihn viele Kolleginnen und Kollegen beneiden: Das Restaurant „Golvet“ befindet sich im achten Stock eines Hochhauses nahe Potsdamer Platz, die große Fensterfront bietet einen spektakulären Blick über die Stadt, von der City-West bis tief in den Südosten. Von der sich senkenden Sonne über die blaue Stunde bis zur dunklen Nacht über den Lichtern der Stadt – jeden Abend ein kleines Erlebnis.
Herausforderung Bar im Restaurant
Für Walter ist es das erste Mal, dass er an einer Bar arbeitet, die sich in einem Restaurant befindet – 2017 kam er vom „Bukowski’s“ in Hannover in die „Amano Bar“. Zwei Jahre später wechselte er aus der High-Volume-Bar, (Walter: „400 bis 500 Drinks an einem Abend machen kommt da schon mal vor“) ins „Stagger Lee“. Und kam nun ins „Golvet“, wo er das Zepter von Andreas Andricopoulos übernahm, der aus dem Nacht- ins Tagesgeschäft wechselte und jetzt als Betriebsleiter im Restaurant „Ständige Vertretung“ fungiert. Wie ist das Arbeiten an einer Restaurant-Bar für Walter? „Eine persönliche Herausforderung, weil ich es ja noch nie gemacht habe. Ich habe früher immer gedacht, es sei total langweilig, weil die meisten Gäste doch eh einen Champagner als Aperitivo trinken. Wozu der Bartender? Aber ich habe viel mit Andreas gesprochen und er hat mir versichert: Im Golvet sind die Leute offen dafür.“
"Tequila Boy"
© 40 SECONDS BERLIN
Drinks abgestimmt aufs aktuelle Menü
Unter der Leitung von Andricopoulos hatte sich die Golvet-Bar unter anderem mit Aquavit-Cocktails einen Namen gemacht. Die es auch weiterhin gibt. Aber: Zwei neue Schwerpunkte will Walter nun etablieren. Zum ersten sind dies Cocktails, die – Stichwort Pairing – auf das Menü abgestimmt sind, welches der junge Küchenchef Jonas Zörner und sein Team quartalsweise kreieren. „Unser Ziel war es, ein ideales Drinkpairing auf das Essen hin zu gestalten. Und auch den saisonalen Aspekt der Küche aufzugreifen“, erklärt Walter. Konkret sieht das so aus: Zum aktuell zweiten Gang, ‘'verbrannte Rübchen' mit Rotkraut, Milch und Kamille, mixt die Bar den Drink ‘Chou Rouge’ auf Basis von Bourbon, der mit frischem Rotkraut infusioniert worden ist. Was seltsam klingt, erweist sich geschmacklich als höchst interessant und überzeugend. Die Süße des Whiskeys und des Krauts harmonieren. Herzhafte, kraftvolle Noten kommen dazu.
„Den Drink habe ich mit Zimt, Piment, Calvados und Cointreau hochgezogen. Dazu kommt etwas Wermut und ein selbstgemachter Lime-Cordial für die Balance von Süße und Säure“, erklärt der Bar-Profi. Zum Gang „Sellerie“ mit Haselnuss, Estragon und Jalapeño gibt es einen alkoholfreien Martini-Twist mit Martini Floreale, infusioniert mit Sellerie und Karottengrün, am Glas feiner Dill-Staub. Aufgepuffte Thunfischhaut, kommt beim Fischgang als Garnitur aufs Glas und überhaupt: Mit Zutaten aus der Küche zu arbeiten, kreativ und nachhaltig, ist der Ansatz, den man hier verfolgt.
Mixen mit Zutaten, die in der Küche übrig bleiben
„Grundsätzlich verwenden wir in jedem Drink eine Zutat, die als Leftover aus der Küche entsteht, um ganzheitlich am Produkt zu arbeiten. Die Nachhaltigkeit wird uns hier von den Köchen vorgelebt. Wieso also nicht an der Bar? Viele Abschnitte oder vermeintlich nicht essbare Teile enthalten spannende Aromen“, so Walter. Er veranschaulicht es uns anhand von drei Drinks der neuen Karte – sie können als Aperitif vorweg, nach dem Essen oder gerne auch währenddessen genossen werden. So wurde für den „Sakura Samurai“ Cachaça mit Kirschblüten aus dem Vorjahr infusioniert. Walter: „Die hat unser Küchenteam per Hand gesammelt und um sie haltbar zu machen in Salz eingelegt. Wir spülen sie und infusionieren sie via Sous-vide. Zusätzliche Kirschblüten, die wir in Essig konserviert hatten, kochen wir zusammen mit einem weißen Tee auf, fügen Sherry und Kohlensäure hinzu.“ Ergebnis ist ein Highball mit floralen, grasigen und mandeligen Noten.
Mit Joghurt vom Personalfrühstück
Der zweite Drink, in dem sich die Nähe zur Küche zeigt, ist der „Wood Stork“: Rye Malt von Stork Club aus dem Spreewald wird mit Orangenblüten und Vanillejoghurt vermählt. „Der Joghurt kommt tatsächlich vom Personalfrühstück“, verrät Walter uns. Was dort übrig bleibt, wird mit dem Whiskey geblendet, passiert und gefiltert. Die Orangenblüten wiederum sind bei einem vorherigen Speisenmenü übriggeblieben, wurden getrocknet, gemahlen und mit Zucker zum Orangenblütensirup gekocht. Ein Drink, der den kraftvollen Roggenwhiskey sanft und mit Citrusnoten abrundet.
Champagner-Reste für den Cocktail
Drink Nummer drei ist der „Beercules“, bei dem der Hauptstadt-Klassiker Berliner Weisse neu inszeniert wird. „Den Waldmeister sammeln wir natürlich selbst“, so Walter. Er wird getrocknet und so haltbar gemacht. Dazu kommen Champagner-Reste (denn natürlich bestellen sich viele Gäste trotz der tollen Drinks auch den Gourmet-Klassiker vorab oder dazu). „Reste aus Flaschen, die am Abend geöffnet und nicht verbraucht wurden, kochen wir dann mit dem Waldmeister sowie Zitronensaft der letzten zwei Tage auf.“ Er kommt dann aber nicht einfach in flüssiger Form dazu, sondern – da ist man dann schon sehr nah dran an der Küche nebenan – friert ihn runter und macht ein Granité daraus, aufgegossen mit einer Berliner Weisse. Klasse!
"Beercules"
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Champagner-Reste für den Cocktail
Drink Nummer drei ist der „Beercules“, bei dem der Hauptstadt-Klassiker Berliner Weisse neu inszeniert wird. „Den Waldmeister sammeln wir natürlich selbst“, so Walter. Er wird getrocknet und so haltbar gemacht. Dazu kommen Champagner-Reste (denn natürlich bestellen sich viele Gäste trotz der tollen Drinks auch den Gourmet-Klassiker vorab oder dazu). „Reste aus Flaschen, die am Abend geöffnet und nicht verbraucht wurden, kochen wir dann mit dem Waldmeister sowie Zitronensaft der letzten zwei Tage auf.“ Er kommt dann aber nicht einfach in flüssiger Form dazu, sondern – da ist man dann schon sehr nah dran an der Küche nebenan – friert ihn runter und macht ein Granité daraus, aufgegossen mit einer Berliner Weisse. Klasse!
Geniale Schnittstelle, symbiotische Teamarbeit
„Es ist cool, mit der Küche zusammen zu arbeiten“, so Yannik Walter. „Es ist eine geniale Schnittstelle. Jonas und ich haben die gleichen Ansätze. Wenn ich am Pass stehe und ihn nach einem Aroma frage, das ich für meine Drinks brauche, rät er mir, was ich nehmen soll. So entsteht eine ganz neue Dynamik.“ Küchenchef Jonas Zörner ergänzt: „Ein gutes Pairing entsteht für mich in der perfekten und symbiotischen Teamarbeit. Gemeinsam erarbeiten wir ein harmonisches Zusammenspiel der Gerichte und Cocktails, wobei wir uns zuhören, voneinander lernen, Handgriffe und Techniken beobachten und jede Zutat, jedes Aroma würdigen. Die Basis spielt dabei das Menü. Die Kunst des Bartenders ist es, diese wohl überlegte Kreation mit passenden Drinks zu unterstreichen, zu komplementieren oder auch einmal geschmacklich herauszufordern – ohne dabei das Essen zu überschatten.“
"Wood Stork"
© 40 SECONDS BERLIN
Neu: „Essbare Getränkekarte“
Als seien die Drinks, die in dieser engen Zusammenarbeit mit der Küche entstehen, nicht schon spektakulär genug, wird mit ihrer Art und Weise, wie die Gäste sie sich auswählen, noch eins draufgelegt: Denn die Getränkekarte ist essbar. Nein, kein Esspapier. Vielmehr werden die Kernaromen der jeweiligen Drink-Richtung direkt auf die Zunge gebracht. Wer zu Gast beim Bar Convent Berlin 2019 war und dort den Stand von Beam Suntory besucht hat, erinnert sich bestimmt: Dort hatten Bartender Joe Schofield und Koch Ryan Clift ein solches Konzept dem Fachpublikum vorgestellt – mittels selbst hergestellter Gummibärchen mit unterschiedlichen Aromen, die zum Probieren dargereicht wurden, konnte sich jeder Gast seine eigene präferierte Geschmackswelt aussuchen – Drinkauswahl mit den Geschmacksknospen statt in der Karte lesend, so intuitiv wie innovativ. Walter wirkte daran seinerzeit mit, denn die Gummibärchen stellte Schofield in der Arbeitsküche des „Stagger Lee“ her. „Ich habe mich auf Anhieb super mit ihm verstanden und wir tauschten uns über diese Technik aus, ich hatte schon mal ein ähnliches Projekt verfolgt“, so Walter.
Bitter, floral und erdig
Das er nun auf seiner eigenen Bühne in Szene setzen kann. So funktioniert es: Drei verschiedene geschmackliche Grundthemen werden den Gästen in Form von farbigen Dragees dargereicht, die sie probieren: Rot ist bitter, gelb floral-fruchtig und grün erdig. In welche der drei Richtungen soll es gehen? Auf Basis ihrer Entscheidung gibt es dann jeweils vier Drink-Empfehlungen – so wird das Thema „erdig“ zum Beispiel wie jedes andere einmal als Aperitif, zweimal als Hauptdrink und einmal als alkoholfreie Variante gespielt. Übrigens wurde dafür sogar eine alkoholfreie Mezcal-Alternative selbst hergestellt. „Diese Art der Auswahl löst den Gast von der Voreingenommenheit für bestimmte Spirituosen. Und im Idealfall entdeckt er etwas ganz Neues für sich“ so Yannik Walter.
Mit seinem neuen Bar-Konzept positioniert sich das Restaurant „Golvet“, neben den großartigen Menüs, nun umso mehr auch als Anlaufstelle für besondere Drinks – ob vor, zum oder nach dem Essen. Oder auch ausschließlich zum Trinken – es ist tatsächlich ein Sterne-Restaurant, das man, wenn man denn mag, auch mal „nur“ auf einen Drink besuchen und den tollen Ausblick genießen kann. Ganz flexibel, ganz entspannt. Die steife Gourmet-Attitüde bleibt unten vor dem Aufzug stehen.
GOLVET Restaurant
Potsdamer Straße 58, 10785 Berlin
© Kirchgasser Photography