Die Traube ist reif: Zeit für Cognac, Brandy und Co.

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Peter Eichhorn findet es ist höchste Zeit für ein Comeback der gereiften Traubendestillate rings um Brandy, Weinbrand, Armagnac und Cognac. 

Der bewährte Klassiker aus Traube muss derzeit noch ein wenig im Schatten warten, während Gin, Whiskey und Rum bereits im Scheinwerferlicht tanzen. Doch was für herrliche und zeitlose klassische Cocktails warten auf uns: Brandy Crusta, Sidecar, Between the Sheets, Champagne Cocktail oder Brandy Alexander. Sie alle zeigen, wie vielseitig Weinbrand gemeinsam mit weiteren Zutaten funktioniert. Und Cocktails, wie Manhattan, Old Fashioned, Horse’s Neck oder Sazerac bieten gleichsam die Option, unser Weindestillat als Basis-Spirituose einzusetzen. Einige Cocktail-Historiker gehen bei manchen dieser Drinks sogar davon aus, dass sie ursprünglich mit Brandy erfunden wurden.

 

Katastrophe in Europa

Doch die Historie von Weinbrand wurde stets begleitet von Krisen und sogar Katastrophen. So hatte sich im Großbritannien des 19. Jahrhunderts gerade Brandy Soda als Trend-Getränk der Mittelschicht durchgesetzt, als die Reblaus-Katastrophe über Europa hereinbrach und beinahe sämtliche Rebstöcke des Kontinents vernichtete. Weine und Traubendestillate wurden rar und teuer. Und die Engländer waren gezwungen, auf den schottischen Whisky zurückzugreifen, der in den gehobenen Kreisen Londons zu diesem Zeitpunkt noch keinen besonders guten Ruf genoss. Erst durch das Aufpfropfen mit resistenten amerikanischen Rebstöcken bekamen die Europäer ihr Trauben-Wesen wieder in Gang.

 

Alkoholverbot in den USA

Auch in Nordamerika änderten sich die Trinkgewohnheiten. Durch den Hafen von New Orleans war der Cognac in die gigantische französische Kolonie, die sich von Louisiana bis nach Kanada erstreckte, gekommen. Auch hier wurden die französischen Erzeugnisse knapp und die einheimischen Destillate rings um Roggen und Mais gewannen an Reichweite und Popularität. Mit dem Thomas H. Handy Rye Whiskey erinnert heute eine Marke an jenen Mann, der den Sazerac Cocktail als Erster mit Rye Whiskey anstelle von Cognac zubereitet haben soll. Mit dem Pierre Ferrand Cognac 1840 sorgte das bekannte Cognac-Haus vor zehn Jahren für Aufsehen, als der Plan, einen Cognac-Geschmack von 1840 zu rekonstruieren, ein aufregendes Produkt mit hoher Mixability entwickelt wurde.

Erste US-Brandys wurden zwar schon 1769 von spanischen Missionaren in Kalifornien erzeugt, doch auch hier hat mit der Prohibitionszeit von 1919 bis 1933 eine Epoche nicht nur für Schmuggel, Speakeasy Bars und Bandenkriminalität gesorgt, sondern eben auch für eine Zäsur mit anschließendem Neubeginn gesorgt.

 

Fehlklänge im Cognac

Die letzten Jahre meinten es nicht immer gut mit den Weinbrand-Herstellern im Cognac. Um die Jahrtausendwende erlebte Cognac eine Krise als der Absatz einbrach. Es herrschte Aufruhr in der Region, denn viele Brennereien hatten ihre Bestellungen bei den Weinbauern storniert, was diese auf die Barrikaden brachte. Straßen wurden blockiert und Mülltonnen und Reifen brannten im Südwesten Frankreichs.

Etwas kurios mutet da jene Musikkultur an, die den Cognac Anfang des Jahrtausends zu einer völlig neuen Zielgruppe trug. 2001 intonierten die Rapper Busta Rhymes und P. Diddy den Song „Pass the Courvoisier“. Die Rap und Hip-Hop-Szene Nordamerikas verstand das als Aufforderung, die Getränkeauswahl neu zu überdenken und zu besingen. Mehr als 100 weitere Rap Songs sollten folgen und verwendeten Begriffe wie „Henny“, „Remi“ und „nyak“ oder „yak“. Gemeint waren Hennessy, Remy Martin und Cognac. Digital Underground verkünden im Humpty Dance: “I drink up all the Hennessey ya got on ya shelf. So just let me introduce myself”. Coolio singt: „Rollin´ with my homies sippin´ we yak all night.“ Wycleaf Jean verführt die Damenwelt mit: „Pussycat, lay back, take a sip of this yak, feel me on this track“ und die Cognac-Marke Landy heuert Snoop Dogg an, um für das Haus zu betonen: „Cognac is the drink that´s drunk by G´s“.

In den USA startet Cognac also durch, während im zweitwichtigsten Absatzmarkt, China, neue Anti-Korruptionsgesetze dafür sorgen, dass der großzügige dortige Cognac-Konsum deutlich zurückgeht. Immerhin konnten 2022 wieder hohe Umsatzzahlen aus dem Reich der Mitte vermeldet werden.

 

Und wenn uns Gutes widerfährt?

In Deutschland hatte der Weinbrand in den letzten Jahren auch keinen einfachen Stand. Eine biedere Wirtschaftswunderzeit-Aura von Onkel Gerd und Tante Gundel lassen hippe Drinkfluencer kalt. Blödsinnige Rituale des Glas-Erhitzens prägten die Nachkriegs-Gesellschaft, sind aber heute glücklicherweise weitestgehend aus der Gastronomie verschwunden. Im neuen Jahrtausend gelang es immerhin der Marke Asbach, einen engen Kontakt mit der Bar-Szene herzustellen. Insbesondere die älteren Qualitäten konnten überzeugen und der „Big Buck“ mit Cointreau, Zitrone und Ginger Beer eroberte die Bars.

Aktuell blickt die deutsche Getränkebranche neugierig in den Stuttgarter Raum auf die Traditionsbrennerei Jacobi. Mit dieser verbindet sich seit 2020 der Name Alexander Stein, in der Getränkewelt bestens bekannt als Kopf hinter Monkey 47 Gin. Nach dem Verkauf der Marke widmet der Entrepreneur sich nun jener Marke, die bereits von seinem Vater und Großvater geprägt wurde und knüpft an die Familientradition der Traube an. Eine gute Nachricht für die Weinbrand-Kultur in Deutschland, wenn sich ein kluger Kopf und kühner Unternehmer für die Renaissance von Weinbrand starkmacht.

 

Ein aktueller und neugieriger Blick in die Weinbrand-Welt lohnt heute mehr denn je

Spanische Marken um Carlos I. und Osborne beweisen engagiert, wie gut ihre Produkte in Cocktails oder im Foodpairing funktionieren. Länder wie Georgien, Armenien oder Moldau verweisen auf eine lange Weinbrand-Tradition,  genau wie Italien und Griechenland. Und wenn wir noch die Produkte mit in den Reigen aufnehmen, bei denen Fassreifung eine untergeordnete Rolle spielt, wie Grappa, Trester und Pisco, dann blicken wir in ein gigantisches Füllhorn voller Genuss.

Also: her mit den Weindestillaten! Pur, gemixt oder zum inspirierenden Wärmen. Wie erklärte bereits der augenzwinkernde Heinz Erhardt: »Das wärmste Jäckchen ist ein Konjäckchen!«