Wie Biercocktails funktionieren – mit Arnd Heissen und dem „BRLO Charlottenburg“ 

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Bier hat in der klassischen Cocktailbar wahrlich nicht immer einen leichten Stand: Je nach Konzept spielt es ein Schattendasein oder wird überhaupt nicht angeboten. In Mixkonzepten zwischen Pub und Bar sieht es freilich anders aus. Doch hier wie dort wird man eines sehr selten finden: Biercocktails. Warum sie für Bars aber durchaus spannend sind – und wie man sie richtig macht, erfuhren wir im neuen „BRLO Charlottenburg“.

Der neue Gastropub der gleichnamigen Berliner Craftbier-Marke befindet sich im tiefen Berliner Westen, in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Irish Pubs. Wer BRLO kennt, wird sicher auch den Stammsitz kennen, das hippe „Brwhouse“ im Gleisdreieckpark, welches als Pop-up aus Schiffscontainern errichtet wurde. Hip ist es auch hier, aber gleichzeitig eine Spur gediegener, gemütlicher. Ist ja auch Charlottenburg! Wie dem auch sei: Hüben wie drüben setzt BRLO auf die Kombination der hauseigenen Biere mit Speisen zum Teilen. Dabei stehen pflanzliche Zutaten und Gerichte im Vordergrund, Fleisch als Fixpunkt herkömmlicher Brauhäuser spielt hingegen eine Nebenrolle (in der Quantität wohlgemerkt, nicht aber in der Qualität).

Pflanzen bringen mehr Aromatik rein 

Grund dafür ist nicht nur, dass das tendenziell an jüngeren Zielgruppen ausgerichtete Konzept auch das Bedürfnis nach vegetarischen Alternativen bedienen will. Sondern auch, weil Pflanzen, zumal gegart, fermentiert, geröstet oder gedörrt verarbeitet, wesentlich mehr Aromenvielfalt ins Spiel bringen als Fleisch und somit die unterschiedlichen Biere von BRLO, die von säuerlicher Berliner Weisse bis zum kräftig-süßlichen Porter reichen, noch besser begleiten können.

Im neuen Betrieb hat man sich nun noch etwas Weiteres ausgedacht, um die hauseigenen Biere in Szene zu setzen: Biercocktails. Warum? Geschäftsführer Ben Pommer: „Mit den Biercocktails erlangen wir dank Arnds Expertise eine Ergänzung zum Menü, die wir selbst mit 20 Bieren vom Hahn nicht abdecken könnten.“ Bar-Ikone Arnd Henning Heissen ist gemeint, der über die Jahre ein guter Freund und Partner geworden ist und bereits 2021 schon einmal einen Biercocktail für das Haus kreiert hat – damals brachte er eine mit Erdbeeren verfeinerte Berliner Weisse mit Tequila zusammen. Jetzt hat der Bartender, der u.a. zum „Mixologen des Jahres“ und zum „Gastgeber des Jahres“ bei den „Mixology Bar Awards“ gekürt wurde und just dieser Tage sein eigenes Gastroprojekt „Birds Nest“ eröffnet hat, eine ganze Biercocktail-Karte für die Kollegen im „BRLO Charlottenburg“ geschrieben. Sie besteht derzeit aus vier Biercocktails sowie einem Cocktail mit dem Apfelcider der Marke und soll saisonal wechseln.

© Sascha Gerritzen

Vielfalt, Bitterkeit, Perlage

Wie ist das Ganze entstanden? Und überhaupt: Wie funktioniert das überhaupt, Bier im Cocktail? „Eigentlich kann man Bier ganz gut mit Mezcal vergleichen“, so Heissen. Bei der Agave wie beim Hopfen gebe es ganz unterschiedliche Sorten und Stile, die dann wiederum das Destillat bzw. das Gebräu geschmacklich prägen. „Außerdem geben die Bitternoten des Bieres einem Drink eine andere Richtung und eine Komplexität, die in einem normalen Drink so nicht vorhanden sind. Hinzu kommt die Perlage, everybody’s darling“, so Heissen. Wichtig sei zudem, das Bier im Drink nicht als Filler oder flavouring agent zu verstehen: Es spielt die Hauptrolle. „Das Bier ist der Mensch, die anderen Zutaten sind die Kleidung“, beschreibt Heissen es griffig. Die Zutaten um das Bier herum arbeiten diesem zu oder, um im Bild des oft mit schönen Metaphern arbeitenden Gastgeber-Profis zu bleiben: Es kleidet stilbewusst.  

Über den Cocktail zum Bier

Und so, wie die Speisen dazu animieren sollen, Biervielfalt zu entdecken, übernehmen auch die Biercocktails im Rahmen des gastronomischen Konzepts eine solche Rolle: Sie sind nicht einfach nur eine „nice to have“-Ergänzung im Angebot, sondern sollen Gästen, die normalerweise kein Bier trinken (oder immer nur dasselbe), über den „Umweg“ Cocktail neugierig auf andere Stile und diese zugänglich machen. Heissen: „Nehmen wir an, du magst Schokolade und Lakritz. Dann wäre ein Porter eigentlich genau dein Ding – aber du weißt es eben noch nicht.“ In seinem Cocktail „Mayan Porter“ wird süffige Bier noch etwas lieblicher – und gleichzeitig frischer und komplexer. Hierfür ergänzt Heissen das „Baltic Porter“ mit Anejo-Tequila, Liebfrauenmilch (richtig gelesen, Wein) für etwas Säure, Cassislikör und Koriander. „Wenn du einen oder zwei Mayan Porter getrunken hast, bekommst du noch mehr Lust, zum Schluss auch mal das Porter pur zu bestellen“, erklärt Heissen. Und so entdeckt der Gast eventuell sein neues Lieblingsbier. Ein Prinzip, das man vom Old Fashioned kennt, der einen kantigen Whisky „abschleift“ und gefälliger macht, oder natürlich dem Sour, der mit seinem Spiel von Süße und Säure dafür sorgt, dass ein Gast auch mal eine Variante mit einer ihm noch nicht bekannten Spirituose wählt. 

© Sascha Gerritzen

© Sascha Gerritzen

Sternennacht im Wald

„Wie eine Sternennacht im Wald“, so Heissen, schmecke das „Starry Night Weizen“, mit dem das vollmundige „Weizen My Ass“ auf ein knackig-spritziges Level sublimiert wird. Die Hilfsmittel dafür sind Doppelwacholder, Bergamotte-Vanille-Geist, Verjus und Minze. Beim „Vision of a Parrott“ baut Heissen die exotischen Maracuja- und Mango-Aromen, die die Spezialhopfen des „Blurry Vision IPA“ (Azacca, Sabro, Cryo Citra, Galaxy) mitbringen, mit hawaiianischem Kokosnuss-Rum, Rosenblüte und Zitronengras zusammen. Und es knistert im Munde, da werden Magic-Gum-Kindheitserinnerungen wach. Übrigens: Das spektakulärste Gefäß, ein Tikibecher mit lockigem Antlitz, ist dem alkoholfreien Biercocktail vorbehalten. Das alkoholfreie Pale Ale „Naked“ wird mit Ananas, Mango, Limettensaft, Magnolienöl und Verjus (eine Zutat, die Heissen in allen Drinks mitnutzt) zum „Fully Naked“. Der gefällt vielen Gästen so gut, dass sie gleich den ganzen Abend bei ihm bleiben bzw. das alkoholfreie Bier bestellen, so Heissen.


Kein Eis ins Glas!

Wenn Biercocktails in einem bierlastigen Gastrokonzept wie diesem funktionieren, (wie) tun sie das denn auch in einer klassischen Bar? Heissen bejaht und erklärt: Wichtig sei erst einmal, sich mit den Bieren auseinanderzusetzen und sich die Atmosphäre vorzustellen, die man mit dem jeweiligen Biercocktail erschaffen und welche Geschichte man mit ihm erzählen möchte. Auf technischer Ebene sei zu beachten: Alles muss sehr kalt sein, klar. Aber: Eis bitte nicht ins Glas: „Dann geht die Kohlensäure flöten.“ Die Bierflaschen gehören somit in die Kühlung knapp über null Grad. Die restlichen Zutaten werden, wenn frisch zubereitet, mit Eis gerührt oder geshakt, bevor sie mit dem hopfigen Hauptdarsteller zusammengeführt werden. Oder sie werden, wie hier, als Prebatch vorrätig gehalten und à la minute vom Tresenteam fertig gestellt. Fazit: Biercocktails haben Potential und viel mehr Aufmerksamkeit verdient, innerhalb wie außerhalb des Bierlands Deutschland.  

 

BRLO Charlottenburg

Giesebrechtstraße 15,
10629 Berlin