Anbetungswürdige Agave

 © Shutterstock

Spirituosen aus Agave werden immer beliebter - wenn nicht sogar zum Anbeten gut, findet unser Autor Peter Eichhorn.

 

Wollen wir nicht alle göttlich trinken und genießen?

Also warum nicht öfter mit den herrlichen mexikanischen Köstlichkeiten, die in ihrem Ursprung mit einer Göttin verwoben sind. Mayhuel lautet der Name jener aztekischen Gottheit, die als Ernährerin der Geschöpfe und mütterliches Fruchtbarkeitswesen zudem mit der Erde und ihren Pflanzen verbunden ist. Zahlreiche Quellen bezeichnen sie als Göttin der Agaven, des Pulque und des Rausches. So manche Tequila & Mezcal Bar rings um den Erdball benannte sich nach jener Gottheit und verwies somit auf die lange Geschichte und historische Verbundenheit Mexikos mit Agaven, insbesondere der Maguey Pflanze und der göttlichen Berauschtheit.

 

Genuss der Agave wird immer beliebter

Während sich der deutschsprachige Raum noch eher zaghaft an die Agavendestillate herantastet und noch allzu viele abwinken, wenn Tequila sie an pubertäre Trinkrituale und böse Kopfschmerzen erinnert, haben andere Landstriche bereits den hohen Genussfaktor der 100 % Agave-Tequilas erkannt und genießen die spannenden Qualitäten von Tequila, Mezcal, Raicilla, Sotol oder Bacanora. Allen voran in den USA, was naturgemäß in der räumlichen und kulturellen Nähe zu Mexiko begründet liegt.

 

Auch Prominente entdecken den großen Wert des Trendgetränks Tequila

In der TV-Serie „Shameless“ lautet ein bekannter Satz aus dem Mund der Schauspielerin Emmy Rossum: „Versuch‘ nicht ständig, alle glücklich zu machen. Du bist nicht Tequila!“ Als aktuelles Trendgetränk steigen die Verkaufszahlen dort jährlich stattlich an und derzeit scheint es zum guten Ton zu gehören, dass man als Promi eine eigene Tequila-Marke sein Eigen nennt. So beispielsweise Dwayne “The Rock” Johnson mit seiner Marke „Teremana“ oder George Clooney, dessen „Casamigos“ die vor nicht allzu langer Zeit von Diageo für die stolze Summe von knapp einer  Milliarde Dollar erwarb. Hinzu kämen Justin Timberlake mit „Sauza 901“, Carlos Santana mit „Casa Noble“, P.Diddy mit „DeLeón“, Michael Jordan mit „Cincoro“ oder Mark Wahlberg mit „Flecha Azul“, um nur einige zu nennen.

 

Tequila wird strengstens kontrolliert

Doch Tequila bietet mehr, als nur einen Prominenten-Faktor. Wenige Spirituosen erfahren eine derart strenge Kontrolle wie Tequila. Die staatliche Aufsichtsbehörde Consejo Regulador del Tequila (CRT) prüft die Erzeuger und versieht die Produkte mit einem Prüfsiegel und Kennziffern gemäß NOM und DOT, die auf den Rückenetiketten der hochwertigen Marken vermerkt sind und die Herkunft der Agavenpflanzen und Verarbeitung nachvollziehbar machen. Die Prüfung umfasst an die 7.000 Felder mit knapp 180 Millionen Agavenpflanzen.

Tequila muss zu mindesten 51 % aus der Blauen Weber Agave gefertigt sein. Der hochwertigste Tequila wird gänzlich aus der besonderen Agavengattung gemacht und trägt die Aufschrift „100 % Agave Azul“. Es war der deutsche Botaniker Franz Weber, der 1896 nach Mexiko übersiedelte, um sich dem Pflanzenstudium zu widmen und dessen Namen die bedeutendste der Agaven heute trägt.

Ein solcher Tequila muss einen Alkoholgehalt aufweisen, der mindestens 35 und maximal 55 % Vol. Alc. Beträgt und in Mexiko in Flaschen abgefüllt werden. Fünf Provinzen verfügen über die Lizenz, Tequila zu produzieren. Auf der Pazifikseite Mexikos in Jalisco, wo auch die Stadt Tequila selbst liegt, Nayarit, Michoacán und Guanajuato. Und etwas nordöstlich davon, ausgerichtet zum Atlantik und zur texanischen Grenze, der Bundesstaat Tamaulipas.

 

„Nektar der Götter"

Mezcal kann aus verschiedenen Agavenarten hergestellt werden. Meist weist er ein markantes Raucharoma auf. Mezcal ist ursprünglicher und handwerklicher in der Herstellung. So kommt deutliche weniger Fremdzucker zum Einsatz, die Hefen stammen aus dem natürlichen Klima der jeweiligen Region. Überwiegend kommen Pot-Stills zum Einsatz, während ein Großteil des Tequilas im industriellen Säulen-Brennverfahren destilliert wird.

Die Wurzeln beider Agaven-Destillats-Varianten liegen im historischen Getränk der Azteken, „Pulque“. Sie liebten das vergorene Agavengetränk und nannten es  „Nektar der Götter”. Der Alkoholgehalt entsprach unserem Bier. Die spanischen Eroberer um Hernándo Cortés sorgten ab 1521 für den Untergang des Aztekenreichs, brachten aber die Destillationskunst mit und so folgte die Entwicklung von Pulque zum Agaven-Destillat.

 

Was Mexiko noch zu bieten hat

Mit dem zunehmenden Interesse hierzulande, sind endlich auch weiterer mexikanische Spezialitäten verfügbar, wenn auch eher selten. Noch. So beispielsweise Raicilla, einem Mezcal der beim Kochen der Agavenherzen nicht so stark geräuchert wird, der mild-nussigen Sotol, aus einer Pflanze aus der Gattung der Spargelgewächse (also keine Agave) namens Dasylirion wheeleri oder auch Bacanora, ein vegetal-süßliches Getränk aus der Wildagave angustifolia von der Pazifik-Küste. Doch Tequila bleibt die bedeutende Gatekeeper-Spirituose gen Mexiko. Sei es ein Blanco oder Plata, der meist unmittelbar nach der Destillation in die Flasche kommt, aber auch bis zu zwei Monate gelagert werden kann, meist im Stahltank.

Joven oder Oro ist in Mitteleuropa eher selten zu finden. Diese Qualität ist größtenteils ein eingefärbter Mixto (also kein 100 % Agave Tequila) und im eher preisgünstigen Segment angesiedelt. Der junge und goldene Tequila besteht aus einer Mischung aus einem Blanco und einem gereiften Tequila. Eleganter ist da schon der Reposado. Er reift mindestens zwei und maximal zwölf Monate im Eichenholz. Die Größe der Fässer ist dabei nicht vorgegeben. Überwiegend kommt in Mexiko amerikanische Eiche zum Einsatz.

Añejo Tequila reift mindestens ein Jahr in Fässern mit höchstens 600 Litern Fassungsvermögen. Seit 2006 gibt es mit Extra Añejo eine weitere Kategorie, bei der das Destillat mindestens drei Jahre im Holz lagerte. Tequila kann und sollte so viel mehr sein, als nur ein Trinkspaß mit Salz und Limette. Ob pur verkostet oder in einer der zahlreichen Margarita-Varianten als Old Fashioned oder als großartigere Corpse Reviver No. 4.

Ein mexikanisches Sprichwort besagt: „Du kannst keinen unbekannten Heiligen anbeten.“ Aber haben wir ihren Namen ja kennengelernt: Salud, Mayahuel!